martes, 17 de junio de 2008

14.06.: Cuernavaca

Am letzten Samstag bin ich mit Kristina und Gunther in das 2 Stündchen entfernte Wochenendmekka Cuernavaca gefahren. Kristina kenne ich über den DAAD, da sie als Sprachlehrassistentin an der hiesigen Universität UNAM für einen unserer DAAD-Lektoren arbeitet. Gunther macht bei ihr an der Uni gerade ein Praktikum. Und so sind wir alle zusammen gefahren. Das brachte auch den wunderbaren Umstand mit sich, dass ich die beiden zu einem Essen bei ihrem Deutschprofessor, der in Cuernavaca wohnt, begleiten konnte. Zuerst einmal wollten wir uns jedoch die Stadt anschauen. Kristina und ich kamen im Laufe des Vormittags in der Stadt an und steuerten erst einmal ein hübsches kleines Café an, um von dort aus das Flair der Stadt einzusaugen und uns ein bisschen mit Rührei, Frijoles und Quesadillas (Tortillas gefüllt mit geschmolzenem Käse, unheimlich lecker)zu stärken. Gunther war von der Party am Vorabend noch zu geschafft und wollte später nachkommen. Nach dem hervorragenden Frühstück liefen wir ein bisschen durch die Stadt und schauten uns die wichtigsten Sehenswürdigkeiten an. Dazu gehört die altehrwürdige Kathedrale "La asunción" (Himmelfahrt) aus dem Jahre 1529 mit ihren lieblichen Wandgemälden, die sich in ihrer bildlichen und farblichen Schlichtheit auffällig von dem sonst allgegenwärtigen Barockprunk unterscheiden. Auch der Palacio de Cortés, der mehr einer Festung als einem Palast gleicht und auf den Trümmern einer Aztekenpyramide erbaut worden ist, gehört zum üblichen Touriprogramm. Der Palacio befindet sich zudem direkt am Zócalo, dem Hauptplatz der Stadt und liebsten Tummelort der Stadtbewohner. Dort setzten wir uns auf die Steintreppen und beobachteten den Trubel, während wir auf Gunther warteten und uns von einem ziemlich langen Spaziergang erholten (immerhin war es auch schon wieder verdammt heiss). Das Städtchen gefiel uns beiden jedoch ausnehmend, zumal wir vorher so einiges über eine "moderne, für den europäischen Besucher enttäuschende" Stadt gelesen hatte. Von Enttäuschung jedenfalls keine Spur. Cuernavaca wurde die Stadt übrigens erst von den Spaniern zur Zeit der Eroberung (Conquista) genannt, was schlicht "Kuhhorn" heisst. Den eigentlichen Namen der Stadt, "Quauhnáhuac" (aus der indigenen Sprache Nahuátl), konnten und wollten die Spanier nämlich nicht aussprechen, auch wenn dessen Bedeutung "Der Ort zwischen den Bäumen" der Stadt viel näher kommt.
Irgendwann am nachmittag tauchte schliesslich auch Gunther auf und schlug als erstes vor (scheinbar von der Busfahrt nach Cuernavaca angetan), man könne doch eine Stadtrundfahrt mit dem Bus machen. Ich war schon ziemlich kaputt und Kristina vom gestrigen Feiern ebenso angeschlagen, dass wir uns schnell überreden und für etwas mehr als 2 Euro für 1,5 Stunden durch die Stadt kutschieren liessen. Die Stadtführung im Bus entsprach wieder völlig den Ansprüchen, die man so an mexikanische Touristenführungen stellen kann. Nach den 1,5 Stunden wussten wir über jedes einzelne Hotel Bescheid, die Preise der verschiedenen Restaurants und welcher Schauspieler oder Sänger in welcher Villa residiert. Was die Gründung der Stadt anging, Reste von Aztekenruinen in und um die Stadt, wirtschaftliche oder kulturelle Faktoren - kein Wort. Stadtdessen rief die Busmoderatorin jedesmal, wenn wir an einer Ampel vorbeifuhren, und dort Leute warteten, gelangweilt: "guckt mal wer da steht!". Und alle Businsassen riefen wie auf Knopfdruck laut: Oooooooooh!. Das muss so ne Art Running-Gag in Mexiko sein, jedenfalls hab ich ihn nicht verstanden. Immerhin stiegen wir während der Tour einmal kurz aus, um die berühmten "Barrancas", die Schluchten der Stadt zu durchwandern. Die Barranca klaffte wie ein grosser Schlund ins Erdreich und liess an den Felswänden überall riesige Baukwurzeln hervortreten. Lianen hingen wie Spinnefäden von den Wurzeln bis hinunter in das kleine Flüsslein, dass sich irgendwann dorthin seinen Weg gebahnt hatte. Das war ein verwunschenes Paradies mitten in der geschäftigen mexikanischen Stadt. Zurück am Abfahrtsort mussten wir uns dann auch schon sputen, um noch halbwegs pünktlich beim Professor von Kristina und Gunther, den beide nur Siggi nannten, zu erscheinen. da er sich mir auch so vorstellte, bleibe ich bei Siggi. Er und sein Lebensgefährte haben eine hübsche kleine Wohnung im Dach am Rande der Stadt mit einer zauberhaften grossen Terasse, von der man einen umwerfenden Blick ins Tal hat und die mit ihren zahlreichen Pflanzen in schweren Terracottatöpfen so grün ist, dass man glaubt, in einem Garten zu sein. Über dem Tisch auf der Terrasse hing ein Schälchen mit grossen Blumenköpfen, und alle paar Minuten flog ein kleiner Kolibri herbei, um etwas von dem Nektar zu saugen. Siggi erzählte, wie er mittlerweile genau erkennen konnte, ob der Kolibri der "Besitzer" der Blüten oder ein "Eindringling" sei, je nach dem, wie schnell und hektisch sich der Kolibri verhielt. Das Essen war ein wahres Festmahl. Als Vorspeise gab es eine sahnige Gemüsesuppe. Zum Hauptgericht servierte Siggi eine valencianische Paella, die besser schmeckte, als alles, was ich je in Spanien gegessen hatte, und dazu Salat aus Bohnen, Tomaten und Avocado (alles wurde von ihm immer beschämt kommentiert mit "ach, das hat doch gar keine Mühe b´reitet" - man muss sich dazu vorstellen, dass Siggi aus Franken kommt und man ihm dazu merklich anhört, dass er schwul ist, was zu einer unschlagbar charmanten Aussprache führt). Als krönenden Abschluss wurde eine Cappucchino-Kirsch-Schokoladen-Torte gereicht. Es war verführerisch und die armen Praktikanten und Lehrassistenten langten kräftig zu. Nachdem Verdauungskaffee holte Siggis Lebensgefährte Eduardo seine Bilder heraus, denn er ist Maler, und richtete für uns auf der Terrasse unsere eigene persönliche Ausstellung her. Dazu erzählte er von den europäischen Künstlern, von denen er sich hat inspirieren lassen und es war eine Freude ihm zuzuhören. (Zwei seiner Bilder sind in der Fotoleiste zu sehen.) Dann war es leider schon acht und wir machten uns wieder auf nach "el D.F.", da wir mit Bus und anschliessender Metro noch gut 3 Stunden unterwegs sein würden. Im Bus wurde mir wie gewohnt schlecht und ich dachte mir nichts dabei. Allerdings ging die Übelkeit auch am Sonntag nicht weg und Montag musste ich mich zu Mittag (gerade als sich meine Kollegen zum EM-Gucken im Konferenzsaal versammelten!) im Büro entschuldigen. Bauchweh, aber was für welches. Ob das an den leckeren meeresfrüchten in der paella lag, kann ich nicht sagen. Immerhin kommt ja in Mexiko kein Tourist ohne Magenbeschwerden davon, das stand bei mir noch aus. Und die Paella war es allemal wert, verspeist zu werden.

miércoles, 11 de junio de 2008

7.-8.06.: Taxco - Hauptstadt des Silbers

In Mexiko-Stadt regnet es seit einer Woche fast unaufhörlich. Das sollte sich auch zum letzten Wochenende nicht ändern. Da gab es nur eins: Raus aus der Stadt und Sonne gesucht. Am Samstag morgen machte ich mich also auf zum Busbahnhof im Süden der Stadt und fuhr von dort aus in das etwa 3 Stunden Fahrt entfernte Städtchen Taxco. Diese etwas verschlafene, aber charmante ehemalige Kolonialstadt mit ihren ca 13 000 Einwohnern war einst das Herz der Silbergewinnung in Mexiko und brachte es zwischenzeitlich zu grossem Reichtum. Heutzutage sind die Silberminen um Taxco erschöpft. Das hat der Geschäftigkeit Taxcos jedoch keinen Abbruch getan. Mehr als 300 Silbergeschäfte reihen sich Tür an Tür in den vielen kleinen Gassen aneinander und bieten eine nahezu unüberschaubare Auswahl an Silberschmuck. Dieser ist nicht unbedingt preiswerter als in anderen Städten im Land. Hier und da finden sich aber kleine Geschäfte mit tollen Sonderangeboten. Und wer etwas ganz bestimmtes sucht, findet es garantiert in Taxco. Im übrigen ist es einfach wunderbar, durch ein Lädchen nach dem anderen zu schlendern und alles anzuprobieren. Einen kleine Einführung in die Geschichte des Silberhandwerks in Taxco bekommt man in dem Museo de Platería, indem über Büsten wichtiger mexikanischer Politiker über elegante abstrakte Skulpturen bis hin zu alten Silbermünzen viele kleine Silberkunstwerke zu finden sind, die in anschaulicher Art und Weise den künstlerischen Zeitgeist dokumentieren (so z.B. eine Rakete, die von einem sportlic modelierten Männchen in den Weltraum geschossen wird, aus den 60er Jahren). Besonders beeindruckend fand ich eine kleine, äußerst detailliert gearbeitete Silbermanufaktur aus - Silber. Dies war aber auch leider das einzige Ausstellungsstück, dass ein bisschen über die Verarbeitung von Silber aussagte. In einem deutschen Museum hätte man sicher eine ganze Ausstellungsreihe mit Dokumentationstafeln und Ansichtsstücken gefunden, die genauestens die Gewinnung und Weiterverarbeitung von Silber erklärten. Allerdings ist mir schon des öfteren in Mexiko aufgefallen, dass die Mexikaner mit einem anderen Interesse ins Museum gehen. Jedenfalls werden in Ausstellungen selten Fragen zu den Thematiken und Hintergründe erklärt. Man sieht sich eigentlich lediglich die Ausstellungsobjekte an, ohne diese zu hinterfragen. Ich finde das ja ein bisschen unzureichend. Wo bleibt da der Lerneffekt? Immerhin spricht das sehr für die Museen, die man in Deutschland besuchen kann. So geht man einfach aus dem Museum heraus, mit einem etwas beschränkten Lächeln auf dem Gesicht, und denkt sich, "Haaaach, war das alles schöööööööön".
Taxco selbst ist als Stadt auf den ersten Blick bei weitem nicht so einnehmend wie bspw. Guanajuato, dessen Zauber man sich vom ersten Moment nicht entziehen kann. Den Reiz Taxcos muss man sich erspähen. Beim ersten Eindruck nur eine etwas hübschere Kleinstadt mit leicht angedreckten weissen Hausfassaden, findet man beim Spazieren durch die Gassen viele zauberhafte kleine Details. Auch ist Taxco durch seine Lage mitten in den Bergen durchwoben mit Strassen, die auf und ab und auf und ab und um eine Kurve nach der anderen führen. Man kraxelt eigentlich die ganze Zeit bergauf oder bergab, und versucht, auf dem blitzblanken Pflasterstein nicht abzurutschen - denn die Strassen haben nicht selten eine Steigung von über 45 Grad (schätze ich mal, nen Winkelmesser hab ich aber nicht angelegt). Wenn man Backpackertouris also noch nicht an den obligatorischen Turnschuhen und Baumwollwickelhosen erkannt hat, so spätestens am hochroten Kopf von der Bergauf-Bergab-Anstrengung und der ungewohnten Höhenluft.
Am Samstagabend habe ich mir dann in einem alternativ angehauchten Restaurant ein Live-Konzert angehört. Die ausgeschriebene"Rock"-Band entpuppte sich als Combo mehrerer Oldies, die wenig rockig, dafür aber hochkonzentriert Klassiker der Beatles, Rolling Stones und anderer Musiklegenden spielten und dabei genauestens jedes "na,na,na" in den Noten mitzählten. Es war herrlich. Dazu gabs wunderbaren mexikanischen Rotwein. Was will man mehr.
Am nächsten Tag habe ich, nachdem ich in meinem kleinen, überaus freundlichen und hübschen Hostel "Joan Sebastian" ordentlich ausgeschlafen habe, den Aussichtspunkt an der Kirche Guadalupe erklimmt. Anders als "erklimmen" kann man dieses Bergraufhecheln nicht nennen. Der Ausblick war grossartig, und da ich mich eh erstmal nicht mehr bewegen konnte, blieb ich dort lange sitzen. Was für ein Ausblick! Was für eine Luft - so sauber :)!
Während dieses Wochenendes regnete es zwar nur einmal für ein halbes Stündchen. Die Sonne liess sich aber nur am Sonntag ein wenig durch die Wolken erspähen. Das war allerdings schon mehr als ausreichend, um mir einen handfesten Sonnenbrand zu verpassen. Da ich in meiner stets panischen Angst vor vermehrten Krähenfüssen um die Augen nur da etwas Sonnencreme aufgetragen hatte, sah ich im Nachhinein aus wie ein rotgefärbter Brillenbär, mit knallroter Nase und weissgebliebenen Augen. Immerhin hatte die Sonnencreme den Test ausgezeichnet bestanden.
Als mein Bus auf der Heimfahrt die Grenze zum Distrito Federal, also nach Mexiko-Stadt überquerte, fing es pünktlich wieder an zu regnen. Das Wasser rann stromartig über die Strassen hinweg und aus den Gullis sprudelte es fröhlich vor sich hin, da das Abwassersystem völlig überfordert war mit den Wassermassen. Die Regenzeit in Mexiko hat definitiv begonnen.

domingo, 1 de junio de 2008

1.06.: Stadtrundfahrt im "Turibus"

Weil man an den Ausmassen Mexiko-Stadts selbst als passioniertester Fussgaenger beim Versuch, die Stadt zu erkunden, zingend scheitern muss, hab ich mich diesen Sonntag in den "Turibus" gesetzt. Der "Turibus" ist eine grossartige Erfindung. Zwar fährt er wie jeder andere Stadtrundfahrtsbus brav seine grosse Runde durch und um das Stadtzentrum. Allerdings bleibt man während dessen als Stadtbesichtiger nicht einfach sitzen oder steigt mal eben für eine 10-minütige Fotopause aus. Der "Turibus" ist so konzipiert, dass man an seinen 24 Haltestellen jederzeit mit dem gleichen Ticket ein und wieder aussteigen kann - und das den ganzen Tag. Dafür bezahlt man nur schlappe 6 Euro. Die Fahrt alleine dauert etwa 3-4 Stunden. Dabei sind die Besichtigungen an den einzelnen Haltestellen noch gar nicht mit inbegriffen. Und auch wenn man meinen könnte, die Zeit würde ausreichen, um dreimal um die Stadt herumzufahren, so sind im Programm nur die nördlich gelegenen Touriviertel um das historische Stadtzentrum, die Colonia Roma (Colonias heissen die einzelnen Viertel), die Colonia Condesa, Polanco (mein Viertel) und alles rund um den riesigen Stadtpark Chapultepec eingeschlossen. Die südlichen, alternativen Stadtzentren Coyoacan und San Angel sind noch gar nicht mit dabei. Da man sich diese Viertel aber auch wunerbar erlaufen kann, ist deren Fehlen nicht so bedauernswert.
Während der Fahrt kann man es sich entweder im unteren muffigen Busraum gemütlich machen oder man wagt sich, mit allen Mitteln gegen die erbarmungslose Hochebenensonne geschützt, aufs offene Busdach. Von da aus hat man einen grossartigen Blick auf alle Sehenswürdigkeiten und das bunte Treiben am Strassenrand. Es ist allerdings sehr empfehlenswert, ab und an mal nach vorne zu gucken, da der Bus so hoch ist, dass einem nicht selten ein Ast von einem Baum gefährlich nahe kommt. Weil ich natürlich wie ein Rundumradar in die Gegend geguckt hab und nicht nach vorne, hat mir ein Palmenzweig fast meinen Hut vom Kopf gerissen, wäre da nicht das irrsinnig praktische Kinderbefestigungsbändchen. Wenn es dann langsam zu heiss wird, ist es ratsam, einfach mal auszusteigen und sich zu Fuss etwas anzuschauen. Ich bin während meiner Stadttour zweimal an einer der Haltestellen abgestiegen. Zum einen, um den grössten und schönsten Kunst- und Handwerksmarkt, die Ciudadela, zu besichtigen, der sich wie durch ein kleines Wohnviertel durch lauter kleine Gässchen erstreckt und einen hervorragenden Überblick bietet über sämtliche Stilrichtungen und Spielarten der mexikanischen Artesanía. Zum anderen, um mal wieder am Zócalo, dem historischen Stadtzentrum herumzulaufen, vorbei dem Regierungspalast, der alten Kathedrale und vielen anderen berühmten Gebäuden. Und um Mittag zu essen in dem gastfreundlichen und gemütlichen Café Popular, wo ich bereits am zweiten Tag nach meiner Ankunft zum ersten Mal mexikanisch gefrühstückt hatte. Und gegenüber in der Saftbar (im Gegensatz zu Saftladen) einen frischgepressten Karottensaft zu trinken. Das schmeckt so gut, man glaubt es kaum. Im Ernst. Frischer Karottensaft hat mit dem Pansch, den es bei uns in Flaschen zu kaufen gibt, und den man nur mit unterdrücktem Ekelgefühl aus übertriebenem Gesundheitswahn heraus zu sich nimmt, rein gar nichts zu tun. Der ist einfach nur echt lecker und beinahe fruchtig. Und gibt einem zudem angesichts der Schachtel Zigaretten, die man hier im übertragenen Sinne aufgrund des Smogs täglich einatmet, ein gutes Gefühl. Apropos Smog. Den merkt man auch gewaltig nach ca. 8 Stunden "Turibus"-Stadttour. Nach einigen Haltestellen merkt man deutlich, wie es in den Augen zu brennen beginnt und die in der Nase sticht, wenn man einatmet. Das kann bei Nichtmexikanern auch schon einmal zu Nasenbluten führen. Immerhin wirken die Dämpfe so beruhigend, dass man danach erst einmal wie ein Stein stundenlang schlafen kann. Auch wenn das für den Moment akzeptabel sein kann, bin ich allerdings froh, wenn ich wieder aus natürlicher Müdigkeit heraus und nicht aufgrund zu vieler Giftstoffe in der Luft einschlafe. Die Stadtrundfahrt lohnt sich trotzdem unbedingt, trotz und mit Smog, der nun einmal ein Teil dieser Stadt ist und es wohl, wenn die Autohersteller nicht schleunigst ihre Marktstrategien ändern und so etwas wie ein Umweltbewusstsein entwickeln, noch einige Zeit bleiben.

31.05.: Teotihuacan - Die Stadt der Götter

Dieses Wochenende stand auf meiner Sehenswürdigkeiten-Liste ganz dick Teotihuacán. Die berühmte Pyramidenstätte im Norden Mexiko-Stadts wollte ich mir schon lange einmal ansehen, nur haben mich bisher die recht aufreibende Fahrt dahin mit Metro und Bus ein bisschen davon abgehalten. Das sollte sich aber diesen Freitag ändern. Am Abend waren nämlich zwei meiner Kollegen, Daniel und Nadiana, und ich zum Essen mit den deutschen Professoren, welche diese Woche zu Auswahlgesprächen mexikanischer DAAD-Bewerber angereist waren, eingeladen. Das war auch wieder alles sehr angenehm und nett. Professoren sind immer nur in der Uni so unangenehm. Nach dem dritten Caipirinha dröhnte dann der eine, bereits etwas betagte Prof, "Und was macht denn unsere Praktikantin am Wochenende?". Als ich ihm daraufhin erzählte, dass ich mir Teotihuacán anschauen wolle, war er gleich ganz hellhörig und meinte dann "ja, da Könnse doch mit Professor Baumann fahren, der fährt da morgen auch hin, und zwar mit dem Taxi. das is doch netter als mitm ollen Bus, Mensch!". Womit er allerdings recht hatte. Prof. Baumann, der daneben sass, hatte auch gar nichts dagegen und wir verabredeten, dass er mich am nächsten Morgen nach deutscher Professorenzeit um halb neun abholen würde. Erwartungsgemaess übermüdet stiefelte ich am nächsten Morgen fünf nach halb neun mein Treppchen herunter. Da sass Herr Baumann schon im Taxi vor meiner Haustür und erklärte dem Taxifahrer minutiös den Tagesablauf. Dem Fahrer war eigentlich alles recht, der strahlte nur vor lauter Glück, denn mit der Fahrt zum 45 km ausserhalb der Stadt gelegenen Teotihuacán hatte er bei Weitem schon seinen Tagessoll erfüllt. Ich setzte mich brav hinten rein und ass verstohlen meine mitgebrachten Kekse, weil ich es noch nicht geschafft hatte, zu frühstücken. Eine Stunde später standen wir vor Teotihuacán und wurden schon von diversen Touristenführern bequatscht. Da Prof. Baumann vorher auch noch nie in Mexiko gewesen war, hielt er es für ganz sinnvoll, einen solchen anzuheuern, auch wenn es recht offensichtlich war, dass der gute Mann nicht unbedingt Kulturwissenschaft studiert hatte. Der Touriführer verlangte einen horrenden Preis für seine unschätzbare Wissensvermittlung und fuhr uns dann als allererstes zu einem Souvenirshop, in dem angeblich die einzigen erlaubten Duplikate von Ausstellungsstücken aus dem Museo de Antropología verkauft würden. Ziemlicher Dösbuddel, den Kram gibts überall. Zudem musste uns ein noch nicht volljähriger und angesichts des gestrengen Blickes des Profs ziemlich nervöser Mexikanerjunge verschiedenes Vulkangestein vorstellen, dass in der Nähe der Pyramiden gefördert worden sein sollte. Bereits bei der Erklärung des ersten Steins hakte Prof. Baumann detailgenau dazwischen, da er sofort bemerkt hatte, dass es sich keinesfalls um das Gestein handeln könne, dass man uns vorgaukelte. Der Herr Professor für Elektro... war nämlich auch Hobbymineraloge. Da war der kleine Mexikaner ganz schön geliefert. Den rest der Steinerläuterungen übernahm der Prof. Die eigentliche Führung zu den Pyramiden war inhaltlich fast ebenso daneben. Hier konnte der Professor zwar nicht einhaken, jedoch hatte ich mir vorher ein paar Sachen zu Teotihuacán durchgelesen, und merkte bereits bei den ersten Zahlenabgaben, dass uns der olle Touriführer Mumpitz verkaufte. Es ist aber auch einfach zu ärgerlich, dass sie mit einem solchen Kleinmüll durchkommen. Statt uns also wirklich Wissenswertes zu der Entstehung der Pyramiden, deren Baukunst eben solche Rätsel aufwirft wie die ägyptischen, zu erzählen oder die zeremoniellen Festakte u.ä. zu beschreiben, führte uns der Tourityp wiederholt vor Wandgemälde und forderte mich dann auf (weil ich ja so nett, klein und dumm aussah), z.B. die Augen an der Wand zu zählen. Oder die Federn. Oder die Schlangenköpfe. Eigentlich musste ich immer irgendetwas zählen und kam mir ganz schön verklapst vor. Professor Baumann hörte schon gar nicht mehr zu. Unser Taxifahrer aber, den der Prof. eingeladen hatte, mitzukommen, grinste begeistert vor sich hin und zählte leise immer mit, als würde ihm das irgendwelche Geheimnisse erschliessen. Naja, mir erschloss sich jedenfalls dadurch gar nichts und so las ich mir gemeinsam mit dem Prof im Anschluss an diese miserable Führung die Erläuterungen von Stefan, meinem Reiseführer, durch. Stefan hatte wie immer voll den Durchblick. Daher habe ich folgendes erfahren (nur kurz als Einführung): Teotihuacan war als Stadtgebiet etwa ab 600 v.Chr. bis 750 n.Chr. bewohnt und beherbergte zu seinen Hochzeiten bis zu 200 000 Menschen. Die Forschung dahingehend ebenso wie zur Lebensweise der Menschen ist jedoch sehr mühsam, da es keinerlei schriftlichen Überlieferungen gibt. Jedoch weiss man, dass der Einfluss Teotihuacáns (zu ihren Zeiten eine der grössten Städte der Welt), bis weit über die Grenzen des heutigen Mexikos reichte. Ab dem 5. Jh. n. Chr. verlor die Stadt allerdings an Bedeutung und auch die Bevölkerung wanderte aus nicht geklärten Gründen ab. man vermutet, dass durch Bodenerosion man nicht mehr in der Lage war, die riesige Stadt zu ernähren. Zuletzt kam es zu gewaltigen Zerstörungen und Massenhinrichtungen, die wohl die Stadtbewohner aus rituellen Gründen selbst vollzogen haben sollen. Der Name Teotihuacán geht auf die Atzeken zurück, die die Stadt so genannt haben, weil sie glaubten, dort lebten iher Götter. Denn Teotihuacán heisst zu deutsch "Der Ort, an dem die Menschen Götter wurden". Wie die Bewohner der Stadt selbst diese nannten, liegt im Dunkeln. Seit dem 19. Jh. wird das Gebiet archäologisch erforscht und wieder begehbar gemacht. Allerdings liegen bis heute noch über 35 Pyramiden unter Erdschichten, die aussehen wir lauter kleine Hügel, begraben. Die beiden wichtigsten Pramiden, die Mondpyramide mit ihrem weitläufigen zeremoniellen Vorplatz und die gewaltige Sonnenpyramide, deren Grösse fast an die Cheopspyramide heranreicht und an deren Seiten sich die ganze Stadt geometrisch ausrichtet, sind aber zu besichtigen. Auf die Sonnenpyramide kann auch sogar ganz heraufsteigen. Wenn es denn die Lunge aushält. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich schon nach der Hälfte des Aufstiegs aus allen Löchern pfiff und umkehren musste. Der Professor wollte erst gar nicht hoch. Dafür haben wir uns aber noch das ebenfalls auf dem Gelände gelegene Museum zu Teotihuacán angeschaut, was auch ziemlich interessant war, zumal mich der Prof professorenartig immer wieder auf die ein oder andere Entdeckung seinerseits hinwiess ("Na, kommense ma rübber, schaunse sich das ma an!"). Ihm schien es tatsächlich nicht unrecht zu sein, dass er eine bereitwillige Zuhörerin dabei hatte. Nach dem wir in einem Restaurant noch eine Kleinigkeit gegessen hatte (uiuiuiui, Queso Fundido con Chorizo, gschmolzener Käse mit spanischer Wurst, gewaltig fettig), wozu der Taxifahrer und ich wiederum eingeladen wurden, fuhren wir wieder Richtung Stadt. Von weitem war schon die bekannte Dunstglocke über den Häusermassen zu sehen. Als ich gegen vier wieder in einem kleinen dachstübchen ankam, war ich unerklärlicherweise so müde, dass aus meinem geplanten 5-Minuten-mittagsschlaf 4 Stunden wurden.

domingo, 25 de mayo de 2008

24.05.: Eine mexikanische Upper-Class-Hochzeit

Dagia hatte mich zu der Hochzeit ihrer Cousine eingeladen, welche am Samstag, den 24.05.2008 stattfinden sollte. Die Hochzeit sollte abends um acht mit der Trauungszeremonie beginnen und dann bis zum Morgengrauen andauern. Ich bezweifelte stark, ob die älteren Mexikaner dieser Nachtschicht gewachsen seien, aber ich sollte noch zum besseren belehrt werden. Ich setzte mich also Samstag mittag in den Bus in Richtung des Elternhauses von Dagia. Wie viele andere in ihrem Alter (Dagia ist immerhin 27 Jahre alt) wohnt sie noch bei ihren Eltern. In Mexiko ist es durchaus üblich, bis man eine eigene ausreichend bezahlte Anstellung gefunden hat, zu Hause zu wohnen. Auf dem Weg dahin rief sie mich jedoch an und bestellte mich zu einem nahe gelegenen Friseur. Dort warteten sie und ihre Freundinnen bereits mit Lockenwicklern in den Haaren und Plastikaufklebern auf den künstlich verlängerten Nägelchen, für die sie jeweils gut 50 Euro hinlegten. Angesichts der glühend heiss dampfenden Haarplätteisen konnte ich mich gerade noch vor einer überteuerten Verunstaltung meiner Haare drücken und wartete einfach geduldig, bis die Damen gewaschen, manikürt und gepudert waren. Anschliessend fuhren wir zu Dagia und stopften uns dort den Bauch voll. Dann führte sie mich in das Ankleidezimmer ihrer Schwester, die angeblich mehr meinen Massen entspräche als Dagia, um ein Kleid für mich zu suchen. Das mit den Massen stimmte nicht ganz. Das schliesslich ausgesuchte Kleid war immerhin so eng, dass der Reissverschluss nur mit Luftanhalten und gemeinsamen Ziehen und Zerren zu ging. Prompt wurde mir auch wieder schlecht im Auto. Das lag aber auch an der holprigen Fahrweise von Ricardo, einem Freund von Dagia, welcher uns beide zu der Trauung abgeholt hatte. Zudem sind auf Mexikos Strassen überall Stopper im Asphalt eingebaut. Doch anstatt tatsächlich langsamer zu fahren, geben die Mexis noch mal extra Gas, um so richtig flott drüberzuhüpfen. Autsch. Halbwegs pünktlich kamen wir dennoch an der Kirche in Coyoacan, dem bereits erwähnten zauberhaften Stadtteil Mexiko-Stadts, an. Die Kirche selbst war recht alt und hatte einen wunderbar idyllischen Vorhof mit grossen alten Bäumen und kleinen Pflastersteinwegen. Die Hochzeitsgesellschaft bewegte sich gerade ins Kircheninnere, wo sie sich nach Braut- und Bräutigamszugehörigkeit getrennt setzte. Ich folgte meinem Begleiter auf die Brautseite (Dagia hatte beim Friseur sitzend nebenher erwähnt, dass sie sich ja schon so darauf freue, dass Fernando, ihr bei mir nicht sonderlich beliebter Cousin, und ich zusammen auf die Hochzeit gehen würden. Mir klappte der Kiefer runter. Ich wusste ja nichts von meinem Glück. Immerhin konnte ich ihr dann vorsichtig klar machen, dass sie von ihrer Hoffnung diesbezüglich sich ein bisschen hatte davon tragen lassen. Ein bisschen sehr.). Die Trauungszeremonie war herzerwärmend und bewegend und unterschied sich sonst nicht sonderlich von allen anderen Trauungen auch. Es war eben eine katholische Hochzeit. Allerdings wird bei mexikanischen Hochzeiten scheinbar eine Musikzusammenstellung besonders gerne verwendet (immerhin wurden genau die selben Stück in der kleinen Kirche von Guanajuato gespielt). Der berühmte Hochzeitsmarsch als Einzug. Dann, nach dem Ja-Wort, das "Ave Maria". Und einige weitere, sehr bekannte Werke, die ich aber nicht benennen kann. Der Pfarrer hielt eine sehr warme und anrührende Rede über die Bedeutung der Liebe und den Gleichklang von Mann und Frau, wobei er es nicht unterliess, zu erwähnen, wie wichtig die gegenseitige Achtung und besonders der Respekt gegenüber der Frau ist, denn Gott habe sie aus dem gleichen Fleische gemacht. Eine alte Mexikanerin neben mir nickte dazu bedeutungsschwanger mit ihrem kleinen Hutzeldutt. Nach der Trauung und einem weniger ausgiebigen fotographischem In-Szene-Setzen vor der Kirche (es war bereits zehn und stockdunkel vor der Kirche, eindeutig ein grosser Nachteil der mexikanischen Tradition), fuhr die Hochzeitsgesellschaft zu dem Hotel, in dem das eigentliche Festgelage stattfinden sollte. Der Saal war ausnehmend elegant und schick gestaltet, wenn auch leider überhaupt nicht traditionell mexikanisch oder folkloristisch, wie ich gehofft hatte. Stattdessen sah alles mehr aus wie bei amerikanischen High-School-Abschlussfeiern. Wie immer tendiert die mexikanische High-Society dazu, US-amerikanische Moden zu kopieren, weil sie es sich leisten können. Ich war aber nur kurz ein bisschen enttäuscht. Dann sah ich das 5-Gänge-Menü und freute mich, so sehr, dass ich mein viel zu enges Kleid, und den Vorsatz, an diesem Abend nur Brotkrumen zu mümmeln, vergass. Doch bevor das Diner beginnen konnte, mussten sich sämtliche Mitglieder dieser riesigen Familie noch ausführlichst begrüssen. Zu meiner grossen innerlichen Empörung wurde auch ich einem Dutzend der Cousins und Cousinen an der Seite Fernandos vorgestellt. Den Rest des Abends vermied ich es recht erfolgreich, in seiner Nähe zu sein und mich über die spannende Tätigkeit eines Steueranwalts zu unterhalten. Das 5-Gänge-Menü war einfach grossartig. Wer danach aber noch nicht genug geschlemmt hatte, konnte sich im Foyer des Hotels an einer International Coffee Bar bedienen, an der es Kaffee, unterschiedliche Likörs und Hochprozentiges zum Mixen, Sahne, Erdbeer- und Kiwistückchen, Schokoladenstreusseln und zwei ganz reizende kleine Schokoladenspringbrunnen gab, einen mit weisser und einen mit Vollmilchschokolade. Ich möchte sowas in meiner Wohnung. Mexikanisch waren diese Delikatessen jedoch auch nicht. Das landestypischste an dieser Hochzeit waren wohl die immense Herzlichkeit der Familie untereinander (als auch gegnüber mit und anderen aussenstehenden Gästen) sowie deren tatsächlich bemerkenswerter Feierausdauer. Direkt nach der Eröffnung der Tanzfläche durch das Brautpaar stürmten jung und alt aufs Parkett und tanzten allein oder zu zweit über Stunden hinweg, unermüdlich bis in die frühen Morgenstunden. Nur zum Ausruhen oder um sich ein Schlückchen zu genehmigen, ging man kurz zu seinem Platz zurück. Ab morgens um fünf zogen die ersten ihre Schuhe aus und warfen sie kurzerhand an den Rand, um barfuss weiter zu tanzen. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir der liebe Papa der wunderhübschen Braut, der mit seinem schlohweissen Haar und seinem alles überstrahlendem stolzen Lächeln im Gesicht bis zuletzt auf dem Parkett herumtanzte und dabei jeden einzelnen der vielen Gäste begrüsste, ganz, als wäre es seine eigene Hochzeit. Morgens um sechs kamen endlich die sehnsüchtig erwarteten Mariachis, die berühmten mexikanischen Musikanten, welche auf keiner Familienfeier fehlen dürfen. Sie bauten sich auf der Tanzfläche auf und spielten über eine Stunde lang sämtliche vom Publikum gewünschten mexikanischen Volkslieder. Dabei fiedelten und sangen sie herzzerreissend vom Schmerz unerfüllter Liebe, Vaterland und Familie. Die Gäste sangen, gut angetrunken, wie sie waren, alle laut und begeistert mit. Nachdem die Mariachis ihr Programm beendet hatten, gab es noch einen weiteren Höhepunkt des Festes: Den Brautstrausswurf. Unter Johlen und Klatschen mussten sämtliche ledige Damen im Saal zuerst in einer Polonaise durch die Reihen ziehen um sich dann vor der Braut aufzubauen und mit erhobenen Armen den Brautstrausswurf zu erwarten. Und wer ausgerechnet unter all den Damen fing den Strauss? Nein, nein, nicht ich. Bloss nicht. Am Ende müsste ich noch einen Mexi heiraten. Das fehlt noch. Nein, Dagia fing den Strauss und grinste den Rest des Abends wie ein kleines Honigkuchenpferd. Seit einigen Monaten ist sie nämlich mit einem Deutschen liiert und wünscht sich nichts als zu ihm nach Deutschland zu können. Demnach war der Strauss ein gutes Omen. Nach einigen weiteren Tanzrunden machte sich doch schliesslich die allgemeine Erschöpfung bemerkbar. Draussen fing es auch schon an zu dämmern und so machte man sich langsam auf nach Hause. Dagia und Ricardo fuhren mich zurück zum DAAD-Büro. Ich war fix und fertig und meine Füsse erinnerten eher an Pfannkuchen als an menschliche Extremitäten. Den Sonntag verbrachte ich demnach auch im verkaterten Dämmerzustand. Nichtsdestrotrotz wünsche ich mir von herzen, dass auf meiner Hochzeit auch einmal ebenso ausgelassen und unermüdlich gefeiert und getanzt wird, bis die Sonne aufgeht, so wie bei dieser Hochzeit.

21.05.: So viel Spass für wenig Geld

In Mexiko-Stadt läuft derzeit ein Theaterstück namens "Memoria" (Erinnerung) im Teatro Galeón. Am vergangenen Wochenende hatte ich bereits eine Kritik voller Lobeshymnen über das Stück in der Zeitung gelesen und wollte mir das unbedingt anschauen. Zufälligerweise schrieb mir einen Tag später Dagia eine Nachricht, ob ich mir nicht eben dieses Stück mit ihr ansehen wolle, da sie Freikarten habe. Dagia arbeitet in einem Kinderprojekt einer jüdischen Hilfsorganisation und sollte sich daher das Stück, dass im Nazi-Deutschland zu Beginn des Krieges spielt, ansehen. Wir verabredeten uns also für Mittwoch abend halb acht.
Wie gewohnt zehn Minuten zu spät war ich am Mittwoch schliesslich am Treffpunkt und hielt mit wachsender Sorge nach Dagia Ausschau. Wir wollten uns vorm Auditorio Nacional, einem der grössten Veranstaltungshäuser Mexiko-Stadts, treffen. Doch nirgendwo auf den weitläufigen Treppen zum Auditorio war etwas von Dagia zu sehen. Irgendwann kam mir das recht eigenartig vor und, da ich zudem das Gefühl hatte, mein Handy nicht mit zu haben (jedenfalls konnte ich es in den mysteríösen Weiten meiner Handtasche nicht finden), ging ich kurzerhand in die Galerie des Auditorios, um dort nach Dagia zu schauen. Den Türstehern erklärte ich recht genervt, dass ich da nur kurz nach einer Freundin schauen wolle, und drückte mich um den Eintritt. In der Galerie hatten sich eine Menge aufgeregter Fotografen und Presseleute sowie ebenso viele Pseudo-Rocker-Stylo-Typen, die sich gegenseitig in ihrem betont schäbigen und nachlässigen Grunge-Stil übertrumpften. Dagia war wiederum nirgendwo zu sehen. Da ich sie auch nicht anrufen konnte dank abwesendem Handy, entschloss ich mich, mir die Ausstellung einfach mal anzuschauen, anstatt gleich verbiestert nach Hause zu gehen. Ich mischte mich unter das hippe Publikum und tat unglaublich interessiert. Eigentlich finde ich Fotografieausstellungen nämlich nicht so spannend. Im Gegensatz zur Bildenden Kunst weiss ich nie so recht, wo durch sich die Arbeiten eigentlich auszeichnen und kann ausserdem keinen persönlichen Bezug zu den Künstlern herstellen, da ich die Fotografen sowieso nicht kenne. In diesem Fall war das aber ganz anschaulich gemacht. Bob Gruen, der New Yorker Fotograf, dem die gesamte Ausstellung gewidmet war, war selbst anwesend und gab an jeder Ecke kleine Anekdoten zum besten. Ausserdem gab es riesige Doku-Tafeln, die seine Arbeiten und deren Besonderheiten erklärten. Bob Gruen war nämlich über Jahrzehnte hinweg Dokumentator der wachsenden und sich etablierenden Rockbewegung. Durch seinme teils sehr engen freundschaftlichen Kontakte zu vielen Rockstars gelangen ihm einzigartige ungestellte und persönliche Aufnahmen. Unter den Stars waren Grössen wie Elton John, The Clash, Debbie Harry, Led Zeppelin, John Lennon oder Marvin Gaye. Und die Fotografien waren echt brillant. So zeigte ein Foto Elton John (wahrscheinlich auf der Höhe seines ezessiven Kokain-Genusses) an seinem Flügel, wie er vor lauter Begeisterung beim Singen waagerecht nach hinten hochsprang und mit den Beinen über Kopfhöhe weiter ekstatisch auf die Klaviatur einspielte. Oder dieses coole Foto von Led Zeppelin, mit wehenden Haaren und offenen Hemden vorm eigens nach ihnen benannten Flieger (siehe Fotos). Oder John Lennon und Yoko Ono bei einer Privatfeier im Gespräch versunken, mit einem innigen Blick, wie ihn kein Künstler nachbilden könnte. Diese Fotographien waren wirklich sehenswert. Mindestens ebenso hervorragend waren aber die Häppchen und Canapes, die die befrackten Kellner auf ihren Tabletts umhertrugen. Ich habe bestimmt 20 davon gegessen. Kleine Cracker mit Krabbencocktail, mit delikaten Cremes gefüllte Blätterteigtäschchen, und andere ausgewählte Kinkerlitzchen und als Dessert winzig kleine Küchlein mit Mousse-au-chocolate- oder Honig-Nuss-Geschmack. Ich war entzückt. Dazu gabs Wein und Sekt en masse und wann immer man Nachschub verlangte, lief gerade wieder ein Kellner vorbei. Ich war also gut satt und leicht beschwipst, als es schliesslich in meiner Handtasche klingelte und ich merkte, dass ich mein Handy ja doch mitgenommen hatte. Es war Dagia, die selbst zu spät gekommen war und nun doch noch schnell ins Theater wollte. Wir trafen uns am Eingang der Galerie und flitzten zusammen zum Teatro Galeón um die Ecke. Das Stück hatte selbstverständlich schon angefangen. Zum Glück gibt es in Mexiko keine "Nach Beginn kein Einlass"-Regelungen und wir wurden vom Portier leise zum Platz geleitet (er lief mit einer Taschenlampe, mit welcher er jede einzelne Stufe beleuchtete, vorne weg - das ist doch nett). Komischerweise mussten wir schon wieder keinen Eintritt zahlen, obwohl in der Zeitung etwas von 10 Euro (umgerechnet) gestanden hatte. Das Stück war wirklich beeindruckend, mit wechselnden kleinen Bühnen in der Mitte vom umsitztenden Publikum oder sogar mittendrin. Es beschrieb aus verschiedenen Blickwinkeln den Umgang des deutschen Volkes mit der Politik des NS-Regimes und die unterschiedliche Wahrnehmung der Verfolgung der Juden. Das Bühnenbild war gleichermassen schlicht wie ergreifend. Die nett eingerichteten Wohnzimmerkulissen in der Mitte des Saals thronten auf Gleisabschnitten, die alle zu einem am Bühnenrand angedeuteten Gefängniskomplex führten. Hinter dessen Stacheldrahtzaun gingen - während sich im Zentrum die eigentlichen Szenen der deutschen Familien abspielten - fortwährend geisterhafte, kahlgeschorene Gestalten umher. Die Atmosphäre wurde immer beklemmender. Auch wenn ich nicht alles genau verstand, da sich die Schauspieler in Rage redeten und durcheinander riefen, mussten die Einzelschicksale jedem verständlich werden. Von dem leichtgläubigen und beeinflussbaren Arbeiterjungen, der sich unbedingt der SS anschliessen wollte, weil er sich davon eine glazvolle Karriere versprach. Über das Ehepaar, dass die Politik der NSDAP ablehnt und doch seine Heimat nicht verlassen will. Bis hin zu der jüdischen Gattin, die vergeblich versucht, ihren deutschen Ehemann von der ihr drohenden Gefahr zu überzeugen und schliesslich alleine geht, den Koffer in der Hand, und ihn ungläubig zurücklässt. Gleichermassen erschüttert und begeistert von dieser lebendigen Darstellung des Lebens in der NS-Zeit verliessen wir das Theater. Müde, satt und sehr guter Dinge ging ich nach Hause.

jueves, 22 de mayo de 2008

19.05.2008: Frau BeMERKELswert in Mexiko

Während ich gerade herumsitze, und darauf warte, dass Rodrigo, der Webdesigner, die Fehler auf der neueinzurichtenden Seite behebt, kann ich auch ruhig einen Eintrag schreiben. Ist ja nicht meine Schuld, dass die Seite nicht funktioniert. Dafür habe ich aber gestern stundenlang ohne den geringsten Erfolg versucht, ein paar neue Interntseiten zu verlinken und hätte den Computer am liebsten in die ewigen Jagdgründe geschossen. Stattdessen hab ich mir heute selbstgefällig bestätigen lassen, dass der dumme Rodrigo Mist gebaut hat. Ich hatte wohl doch nicht ganz unrecht mit der Tequilaparty.

Jedenfalls war Frau Merkel am Montag in Mexiko. Frau Merkel, die die TITANIC vor einigen Jahren noch gewohnt böswillig als das Merkel betitelte, so wie das Dönerrrrrtierrrr, und die jetzt von allen Seiten geschätzt und mit ausgewählter Freundlichkeit empfangen wird (die unüberlegten Angriffe des venezolanischen Kollaborateurs mit Iran und China lasse ich einfach mal unkommentiert). Daran musste ich gerade noch denken. An die niedliche kleine Grinsebacke mit der komischen Topfschnittfrisur und dem ungeschminkten Dackelgesicht neben ihrem Ziehvater Helmut Kohl. An die, die keiner ernst genommen hat. Und jetzt stand sie als eine der wenigen Frauen umringt von allen wichtigen Politikerpersönlichkeiten beim Lateinamerikagipfel in Lima und war neben Zapatero als weiterer Vertreter der EU die wichtigste Ansprechpartnerin. Das macht mich unbegründeterweise ein bisschen stolz. Nicht, wie so mancher jetzt vermuten wird, weil Frau Merkel eine Frau ist. Sondern weil sie so lange so unterschätzt worden ist. Ich war also immerhin recht gespannt auf ihren Besuch in Mexiko-Stadt, nicht zuletzt, weil auch in unserer Aussenstelle immer wieder von diversen Empfängen, Veranstaltungen und Diners gesprochen wurde, an denen Frau Merkel zusammen mit dem Regierungschef Mexikos, Felipe Calderón, oder eben auch alleine, teilnehmen sollte. Soweit ich weiss, wurden die meisten Termine vorher noch abgesagt oder geändert. Lediglich ein grosses Festessen sollte am Montag, den 19.05. stattfinden. Mein Chef, Dr. Spitta, und einer der DAAD-Lektoren waren eingeladen. Ei, ich hätte sogar Dr.Spittas Schleppe getragen, um mitkommen zu können, aber leider hat er keine und überhaupt gingen meine anderen (ranghöheren) Kollegen ja auch nicht mit. Also konnte ich nur gespannt Herrn Spittas Bericht abwarten. Der fiel wie gewohnt flapsig aus und war mit unwesentlichen, wenn auch irre witzig beschriebenen, Details gespickt. Was es zu essen gab. Wer links und rechts von ihm sass (niemand der interessiert). Dass die Gäste eine Stunde auf Frau Merkel warten mussten. Auch die Ansprache konnte er eigentlich nicht mehr recht wiedergeben. Dr. Spitta hat, wie auch mir mittlerweile aufgefallen ist, ein gesundes Schlafbedürfnis und nutzt fast jede Redepause, um ein Nickerchen zu halten. Ein Kollege hat mir während der Kaffeepause erzählt, dass es auch schon mal vorkommt, dass er beim Reden einschläft, was dann besonders komisch ist, wenn er bei einer Konferenz spricht. Für mich und die anderen heisst das, dass es keine höflich gemeinte Nachfrage, sondern ein ernsthafter Hilfeschrei ist, wenn Herr Spitta um einen Kaffee bittet. Höchster Schnarchalarm. Trotz dieser kleinen Eskapaden ins Traumland ist Herr Spitta jedoch der tollste, engagierteste und gebildetste Direktor, den sich jegliche Bildungsinstitution wünschen kann, nur um sein Bild wieder ins rechte Licht zu rücken. Und da er eben genau weiss, wann man wirklich aufmerksam sein muss, wachte er auch just wieder in dem Moment auf, als Frau Merkel betonte, wie sehr sie die Präsentation des deutschen Bildungs- und Forschungsstandortes in Mexiko schätze und man diesen Arbeitsbereich unbedingt noch stärker unterstützen könne. Und Herr Spitta freute sich schon darauf, mit den genauen Zeilen dieser Rede als Beweisstück im Gepäck sich mit offener Hand an den Goldesel wenden zu können. Damit endete sein Bericht leider aber auch schon. Und ebenso meiner von alldem, was ich vom Merkelbesuch mitbekommen habe (abgesehen, von dem, was sowieso in den Zeitungen stand).

sábado, 17 de mayo de 2008

Männlich-Weibliche Verständigungsprobleme

Es ist Samstag und draussen regnet es wie aus Eimern. Ich bin immer noch erkältet und meine Nase scheint einen "Wettlauf" gegen einen mir unbekannten Gegner gewinnen zu wollen. Mir recht, ich bleib drinnen und lese die ZEIT (die haben wir nämlich immer im Büro). Und nutze die Gelegenheit, mich kurz über ein Phänomen männlich-weiblicher Verständigung auszulassen, dass auch dieses Wochenende wieder eine entscheidenende Rolle gespielt hat.
Also, übliche Situation: Ich gehe abends was trinken, mit Freunden oder auch mal allein, wenn ich Lust dazu habe. Ich sitze also da und unterhalte mich, wenn Leute da sind, die ich kenne, oder lese/ tanze. Wie auch immer. Früher oder später spricht mich ein Mexikaner an. Die Mexikaner sind da nicht so, da wird nicht lang gefackelt. Das liegt vor allem daran, dass Frauen in Mexiko verdammt hart für sich zu gewinnen sind und die Männer allenthalben einen Korb fangen. Das härtet ab und erhöht letztendlich die Baggerfrequenz. In meinem Falle nervt das schlicht und ergreifend. Europäerinnen sind hier eine Seltenheit, und die Mexikaner verhalten sich wie das Trüffelschwein auf der Suche nach der berühmten Delikatesse - Ich werde mich hier nicht in Einzelheiten ergehen. Es spricht mich also der Mexikaner an. Aufgrund der hohen Körbezahl und der daraus resultierenden Verzweiflung ist der Typ wahrscheinlich weder gutaussehend noch interessant, sondern einfach nur - verzweifelt (Das Gerücht vom blendend aussehenden Mexikaner ist wirklich nur ein Mythos, oder die Antonio-Banderas-Typen wohnen alle zusammen in einem anderen Stadtteil, in einer Art Bebe-WG für Männer). Es wäre demnach so einfach, es wie die gewieften Mexikanerinnen zu machen, und dem Nervtöter einfach die kalte Schulter zu zeigen. Pustekuchen. Ich bin viel zu nett (ich hasse das) und antworte brav auf alle Fragen, was ich schon von Mexiko gesehen habe, wie mir das Essen schmeckt und wie ich mexikanische Männer finde (?). Natürlich werden auch beliebte Themen bezüglich meiner deutschen Herkunft nicht ausgespart. Ich werde also gefragt, ob ich deutsche Wurst vermisse, auch immer zum Otkoberfest gehe und ob ich im Winter überhaupt das Haus verlassen könne vor Kälte (ich esse eigentlich nur selten Wurst, war noch nie auf dem Oktoberfest und im Übrigen liegt Deutschland nur auf einem unwesentlich höheren Breitengrad als Mexiko-Stadt). Mein Lieblingsgespräch in dieser Hinsicht hat mal in Madrid bei einer Party stattgefunden. Auf meine Aussage, ich käme aus Deutschland, hat mir der dicke Spanier zwei Daumen-hoch gezeigt begleitet von einem begeisterten Ausruf. Als ich ihn darauf hin fragte, ob er denn schon einmal in Deutschland gewesen sei, meinte er, nein, aber er fahre bald nach Amsterdam. Daraufhin ich pikiert, das sei aber in den Niederlanden. Und er, ja, aber das ist doch gleich daneben. (...). Ich weiss nicht, wozu solche Gespräche gut sind. Glücklicherweise dauern sie nie lang. In Mexiko hat sich allerdings ein anderer Umstand als schwierig herausgestellt. Ich unterhalte mich also ein Weilchen halb interessiert mit einem männlichen Exemplar, das bereits aufgegeben hat, seine Landsfrauen anzusprechen. Das Gespräch plätschert irgendwie so dahin, bis ich glaube, mich endlich ausklinken und gehen zu können. Dann ereignet sich immer das Gleiche. Der unangenehme Mexikaner fragt mich, WIE denn meine Handynummer lautet. In diesem Moment beschleicht mich das nagende Gefühl, einen essentiellen Abschnitt des Gespräches nicht mitgeschnitten zu haben, nämlich den, in dem er sich schüchtern endlich überwindet, mich zu fragen, OB ich ihm meine Handynummer geben würde, und ich ihm mit Freudentränen in den Augen um den Hals falle, weil ich bereits die ganze Zeit mit subtilem Unterton und ausdrucksreicher Körpersprache betont habe, wie sehr ich mich freuen würde, ihn wieder zu sehen. Da der Kerl aber weder gefragt hat, OB ich ihm die verdammte Nummer geben würde, und ich sicher mit Nichten irgendwelche Andeutungen gemacht, sondern diese eher angestrengt vermieden habe, stehe ich nun zugegebenermassen total auf dem Schlauch. Das Problem ist aber, dass die Mexis mit einer derartigen Beiläufigkeit und Selbstsicherheit fragen, als sei es schon längst beschlossene Sache, dass man sich wieder sehen würde. Diese absolute Wahrnehmungsstörung macht mich jedes Mal völlig perplex. Da die Situation so überzeugend impliziert, dass alles schon abgemacht ist, grenzte jegliche abwehrende Geste an totale Unhöflichkeit. Echt geschickt gemacht. Deshalb kann ich auch nie anders, als die dumme Nummer einfach heraus zu rücken. Den Rest des Abends verbringe ich dann damit, mir Ausreden zu überlegen für den Fall, dass er anruft. Und die Liste wächst. Verdammte gute Erziehung.
Das Dumme ist nun, dass einer dieser ungewünschten Speicherplatzbesetzer der Cousin meiner Freundin Dagia ist, die ich erst kürzlich kennen gelernt habe. Aus irgendeinem mir unbegreiflichen Grund meinte Dagia nun, mir ihren Cousin vorstellen zu müssen, und ist zudem auch noch davon überzeugt, dass wir totaaaaal gut zusammen passen. Ich habe kurz überlegt, was ich so furchtbar langweiliges erzählt haben könnte, dass sie zu diesem Schluss hat kommen lassen. Nur kann man ja einer Freundin, die ihren Cousin so toll findet, dass sie einen mit ihm verkuppeln will, schlecht beibringen, dass das eigentlich das Letzte ist, was man möchte. Ich habe daher das Gefühl, dass mir nur bleibt, den Cousin zu meiden. Das ist auch der Grund dafür, warum ich dieses Wochenende hier bin und eben nicht auf Dagias Einladung mit ihr und ihren Freunden zu einem Ferienhaus am See ausserhalb der Stadt gefahren bin. Der Cousin wäre mir einfach zu anstrengend gewesen (er wäre SELBSTVERSTÄNDLICH mitgefahren und hat unentwegt darauf gepocht, dass ich auch mitkomme). Dass es jetzt blitzt und donnert, als würde die Welt untergehen, zeigt eigentlich nur, dass ich mich richtig entschieden habe.

viernes, 16 de mayo de 2008

16.05.2008: Stress - Wie gut!

Die letzten 2 Wochen stapelten sich die Aufgaben und Termine in der DAAD-Aussenstelle bis an die Bürodecken. Da meine zwei deutschen Mitarbeiterinnen (die eine ist eigentlich Österreicherin, aber das zählt nicht) gerade auf Urlaub sind, hatten sie mir jeweils eine ellenlange To-do-Liste dagelassen, die ich bis heute fleissigst abgearbeitet habe. Nadiana kommt nämlich bereits am Montag wieder und dann muss ich die ersten Ergebnisse präsentieren. Der DAAD organisiert zur Zeit u.a. eine riesige weltweite Alumnikampagne, und da müssen Altdaten gepflegt, Kontakte wieder- und neuhergestellt, Einladungen verschickt und Events organisiert werden. Und der putzige kleine Praktikant kriegt da natürlich auch sein Eckchen ab. Zudem hab ich diese Woche den Newsletter für Mai geschrieben - einmal monatlich verschickt die Aussenstelle an alle Stipendiaten und sonstige eingetragenen Akademiker eine Rundmail mit aktuellen Stipendiumsangeboten, Master- und Doktorprogrammen in Deutschland oder Sommerakademieangeboten. Das ist eine echt interessante Aufgabe, da ich zum einen auf Spanisch schreiben darf und zum anderen viel über die immensen Möglichkeiten, in Deutschland zu studieren, erfahre. Überhaupt ist dies einer der herausragendsten Vorteile dieses Praktikums - durch die Themen, mit denen ich mich befasse, die Messen an denen ich teilnehme, und natürlich unsere kleine Bibliothek habe ich eigentlich permanenten Zugang zu meiner persönlichen Studienberatung. Denn vieles von dem, was ich hier intern mitbekomme, könnte ich eventuell auf meinen Studienverlauf anwenden. Und da ich immer noch nicht genau weiss, was ich nach meinem ersten Staatsexamen machen werde, sauge ich die ganzen Informationen auf wie ein kleiner raffgieriger Schwamm. SpongeBob Schwammkopf heisst hier übrigens Bob Esponja. Das klingt vielleicht blöd. Calvin und Hobbes heissen hier aber so wie überall und in der Tageszeitung gibt es in jeder Ausgabe einen Comic in Spanisch. Das ist toll. Neben dem Newsletter habe ich angefangen, eine Internetseiten-Erweiterung für den DAAD-Mexiko zu gestalten, damit wir in Zukunft auch über Deutsch-Lern-Möglichkeiten in mexiko und in Deutschland informieren können. Das Inhaltliche haben die Sprachassistentinnen der hiesigen Uni zusammengetragen, das Gestalterische soll ich jetzt machen. Sobald usner Webdesigner alles vorbereitet hat, gehts los. Aber hey, wir sind in Mexico, das kann dauern. Rodrigo, der Webdesigner, wollte eigentlich schon Montag alles fertig haben. Seitdem hab ich nichts von ihm gehört. Wahrscheinlich macht er noch Siesta oder liegt irgendwo komatös auf ner Tequilaparty herum. Da fällt mir ein, dass ich diese Woche zum ersten Mal Mezcal getrunken habe, was meiner Meinung genauso schmeckt wie Tequila, aber ab 40% merke ich da eh keine Unterschiede mehr. Mezcal gibt es auch mit Würmern drin, das trinken die besonders mutigen Mexikaner, während die Mädels gepflegt an Mezcal-Mixturen mit Cocos- oder Vanillegeschmack nippen. Ich trinke gerade nur Tee und warte darauf, dass das Wochenende anfängt. Diese Woche war wirklich ziemlich anstrengend.

martes, 13 de mayo de 2008

10.05.2008: Muttertag a la mexicana und Pfingstgottesdienst

Zufälligerweise einen Tag vor dem Muttertag in Deutschland feiern die Mexikaner dieses Jahr ihren Día de la Madre, welcher gewohnterweise immer auf den 10.05. fällt. Wohingegen man in Deutschland den Muttertag gedanklich halbwegs erfolgreich verdrängen kann und nur allenthalben vom Emailanbieter an den mütterlichen Herzenstag erinnert wird, kann man der Muttertagsmanie in Mexiko nicht entfliehen. Bereits Wochen vorher hängen an allen Ecken riesige Plakate mit glücklichen jungen Frauen und allerliebst verpackten, treusüss zu ihnen aufschauenden Kinderchen. Kaufhäuser bieten allerorts Produkte speziell für Mütter zum Sonderpreis an. In der Metro hängen gar Angebote für besondere Mütter-Handytarife. Die Buchläden holen verstärkt die Mutter-Kind-Literar hervor. Und alles läuft und kauft Geschenke und Blumen und Pralinen und beredet heimlich und aufgeregt, wie man Mutti am allerbesten zu ihrem Ehrentag überraschen könnte, plant Ausflüge, reserviert Restauranttische, übt Liedchen. Es ist völlig abgedreht. Zufälligerweise konnte ich eine Muttertagsfeier selbst miterleben. Bei einer DAAD-Infoveranstaltung einige Tage zuvor hatte ich eine mexikanische Studentin angesprochen, die mir während des Abends als sehr nett aufgefallen war, und sie gefragt, ob wir nicht ein Deutsch-Spanisch-Intercambio machen wollten, und das machten wir dann auch. Einen Tag später lud sie, Dagja, mich zu der Muttertagsgrossveranstaltung im hiesigen Club Aleman ein, indem sich am Samstag die schicke mexikanische Upperclass zum gemeinsamen Schlemmen und Beschwipsen traf. Dagja holte mich mit ihrem Auto ab und wir fuhren gemeinsam einmal quer durch Mexiko-Stadt hin zu dem grünen und grossflächigen Clubgelände. Dort trafen wir ihre Familie und deren Freunde und Dagja stellte mich allen vor, immer mit den Worten, wie amüsant es doch wäre, dass ich hierherkam, Mexiko kennenzulernen, und zuerst einmal im Club alemán, dem Deutschen Club, feiern würde. Naja, immerhin kam keine Bedienung im Dirndl, gab es keine Brezeln und wurde auch keine Polka getanzt, auch wenn Dagja das sehr bedauerte. Überhaupt war ich in dem Club, in dem sich Deutschstämmige sowie deren Familien und Geschäftsfreunde treffen sollen, fast die einzige Deutsche. Dafür kamen an die 200 Mexikaner und der Festsaal war gefüllt mit üppig gedeckten und verzierten runden Tischen, um die galant die Garde von befrackten Kellnern tänzelte. Es wurde ein festliches 4-Gänge-Menü aufgetischt, schön untermalt von Live-Jazzmusik. Das Essen war weder typisch mexikanisch noch deutsch, aber echt lecker. Dagja erzählte mir derweil, dass sie geweint habe, als sie zum ersten Mal deutsches Rollfleisch gegessen hat. Nicht weil es so schlecht gekocht war, sondern eben so lecker.
Mir waren höchstens aufgrund der Schärfe des Essens die Tränen gekommen (und dabei werde ich schon recht emotional beim Essen), aber vielleicht haben die Mexikaner ja eine andere Beziehung zum Essen. Nach dem Dessert gruppierten sich sofort die ersten Pärchen auf der Tanzfläche und trotz meiner wiederholten Beschwichtigung, ich könne kein Salsa tanzen (denn natürlich entpuppten sich einmal mehr sämtliche Leute auf der Tanzfläche als geborene Tänzer), fand ich mich kurze Zeit später ebenfalls dort wieder. Die Leute tanzten, bis der Saal mehr einem tropischen Regenwald als einem klimatisierten Veranstaltungsort glich, und die Wodkaflaschen bis zum letzten Schluck in Orangensaft und GingerAle untergegangen waren (zur Tarnung vor den Kindern). Selbst die Jüngsten übten sich bereits fleissig in Drehungen und Hebefiguren, was süss war, weil in diesem Alter die Mädchen noch grösser sind als die Bubs und mit gestrenger und erfahrener Miene die kleinen überforderten Kerlchen Piruetten drehen liessen. Irgendwann verteilte ein Clown riesige bunte Luftballonstangen und Wuschelpompoms an Holzstäbchen und Jung und Alt fing an, die Dinger im Takt herumzuschleudern, während sich die Musik immer weiter beschwingte. Mittlerweile wurden die bekannten Texte lautstark mitgesungen und ploetzlich rief die Jazzsängerin begeistert, Heute ist Muuuuuuttertag". Woraufhin die tanzende Menge wie angestochen anfing, zu jubeln und zu brüllen und alle irgendwelche umstehenden Mütter umarmten, ganz gleich welche. Es war wirklich ein Fest. Ich fragte mich manchmal, ob die Väter nicht ein bisschen traurig seien, nicht einen ebensolchen Tag für sich zu haben, aber sie schienen alle genauso beglückt wie der Rest.
Nach der Muttertagsparty fuhren Dagja und ich mit ihren Freunden noch weiter in einen ziemlich chiquen Club, der auch Sushi-Restaurant war, um dort schon recht angetrunken noch weiter zu feiern. Dank eines Freundes standen wir alle auf der Gästeliste und ich erkannte einmal mehr den Vorteil von einheimischen Freunden - ohne sie wäre ich sicher nie in diesen szenigen Club gegangen, gleichermassen aufgrund von Preis- und Bekanntheitsfaktor. Immerhin kam ich noch früh genug nach Hause, um ein paar Stündchen zu schlafen, bevor ich mich am nächsten Morgen in den eigentlichen Club alemán aufzumachen: Die deutsche evangelische Gemeinde von Mexiko-Stadt, in der am Sonntag Pfingstgottesdienst war und gleichzeitig 50. Geburtstag des Bestehens der Gemeinde, zu dessen Anlass selbst der deutsche Botschafter eine Rede hielt. Bei den vielen neuen und kulturell ungewohnten Eindrücken ist es auch immer wieder schön, etwas vertrautes und altbekanntes zu finden. So wie in dieser Kirche die Lieder, die ich schon oft mitgesungen habe, die Predigtthemen und die verinnerlichten Liturgien. Zum anschliessenden Kirchencafé bin ich jedoch nicht mehr geblieben. Ich wäre mir ein bisschen eigenartig vorgekommen, allein in dieser eingeschorenen Gemeinde von Leuten, die seit Jahren gemeinsam ihre Zeit in der Fremde verbringen und darum noch viel enger zusammenwachsen als andere Gemeinden. Trotzdem, zu den folgenden Gottesdiensten werde ich bestimmt wieder hingehen, und wenn auch nur wegen der kleinen Insel emotionaler Vertrautheit in diesem sonst noch fremden Land.

miércoles, 7 de mayo de 2008

5.05.2008: Ein Abend mit dem DAAD oder die Verschwendungspolitik des Goethe-Instituts

Am Montag abend trafen sich die DAAD-Lektoren von den wichtigsten Universitäten Mexikos in Mexiko-Stadt zum jährlichen Deutschlehrerkongress. Aus diesem Anlass reservierte der Chef, Herr Spitta, einen grossen Tisch in einem Restaurant in der eleganten Gegend Condessa und lud uns alle ein, mit zu kommen. Das Restaurant hiess "Matisse" und war in rosa und blau gestrichen und mit Reproduktionen des Expressionisten gestaltet. Zuerst war ich ein bisschen nervös bei dem Gedanken an ein Essen mit den hochrangigen DAAD-Mitarbeitern, stellte dann aber schnell fest, dass diese Leute ebenso nett und lustig waren wie meine Kollegen in der DAAD-Aussenstelle. Man hielt sich auch gar nicht lange mit den üblichen SmallTalk-Nettigkeiten auf, sondern fing sogleich an, sich über den Tisch hinweg über die mexikanische Uni-Politik und besonders die deutschen Institutionen in Mexiko aufzuregen. Ein deutsches Aushängeschild kam dabei überraschenderweise gar nicht gut weg: Das Goethe-Institut. Von den DAAD-Lektoren hatte jeder entweder schon für das Goethe, wie es nur genannt wurde, gearbeitet oder viel damit zu tun gehabt. Ein Deutschlehrer, der einen der Lektoren begleitete, erzählte, dass er bis vor einigen Monaten im Goethe-Institut in Monterrey (im Norden Mexikos) unterrichtet habe. Dann gab es jedoch plötzlich neue Sicherheitsbestimmungen für die Goethe-Gebaeude, die von der Zentrale in Deutschland erlassen wurde, und das Institut, welches den irrsinnigen Bestimmungen nicht genügte, musste von einem auf den anderen Tag seine Kurse einstellen. Den hilflosen Lehrern wurde angeboten, ihnen entweder weiterhin 20 Stunden im Monat zu zahlen (bis zur weiteren Entscheidungsfindung) oder ihnen fristlos zu kündigen. Da fast alle Familie in Mexiko hatten, zogen sie die Kündigung vor, um anderweitig irgendwie Geld zu verdienen. Es gelang ihnen auch, private Sprachkurse zu organisieren, die sich mittlerweile zu rentieren beginnen. Das Goethe-Institut indes suchte nach einem anderen, geeigneteren Gebäude und wurde auch fündig. Allerdings muss auch dieses Objekt erst von der Zentrale geprüft werden, und vor April nächsten Jahres ist keine abschliessende Entscheidung zu erwarten. Die Mühlen der Bürokratie mahlen eben langsam. Damit das Gebaeude aber nicht anderweitig vergeben wird, hat es das Goethe-Institut sicherheitshalber schon gemietet, auch auf die Gefahr hin, dass die Prüfung der Zentrale negativ ausfaellt. Bis dahin fliessen deutsche Staatsgelder in gleich zwei repräsentable Häuser mit repräsentablen Mieten, die vom Goethe-Institut nicht genutzt werden.
Von anderen Instituten in Chile erzählte ein Lektor sogar, dass dort seit einiger Zeit keine Festanstellungen an Deutschlehrer mehr vergeben, sondern billige Zeitarbeitsfirmen angeheuert werden. Bei dem Renomme, dass das Goethe in Deutschland geniesst, und den Kursgebühren, die den Schülern abverlangt werden, ist das wirklich ungeheuerlich!
Da ich mich selbst mehrfach erfolglos um einen der heiss umworbenen Praktikaplaetze am Goethe-Institut beworben hatte, lauschte ich der Unterhaltung besonders aufmerksam. Eines war jedenfalls offentsichtlich: An der wichtigsten Repräsentationsinstanz der BRD neben dem Auswärtigen Amt wurde an diese Abend kein gutes Haar gelassen. Nichtsdestotrotz amüsierten wir uns prächtig und es war ein wirklich lustiger Abend, zumal mein Salat einfach köstlich schmeckte und mein Chef mich als Einzige einlud mit den Worten, die Praktikanten würden doch immer alle am Hungertuch nagen. Naja, essenstechnisch kann ich mich gerade zwar überhaupt nicht beklagen, aber wie kann man denn so eine Einladung ausschlagen?

4.05.2008: Guanajuato spielt auf und die Verrückten sind gar nicht verrückt

Die weitere Zeit in Guanajuato war richtig schön. Alle Pläne, noch nach San Miguel de Allende zu fahren, oder zu den Thermalquellen in der Naehe, verwarf ich und genoss einfach nur die Stadt. Freitag abend habe ich einem Konzert des Symphonieorchesters gelauscht. Es spielte Beethoven und Bruckner und der Saal war gut gefüllt mit Zuhoerern. Denen konnte man lustigerweise genauestens ansehen, ob sie Einheimische oder Touristen waren. Die Ansässigen sassen im besten Sonntagsstaat in ihren Reihen. Die Touris hatten die knittrige Bluse aus dem Rucksack gezerrt oder versuchten, ihre FlipFlops mit hübschen Tüchern oder Schmuck zu rechtfertigen. Das Konzert selbst war grossartig. Ich bin ehrlich gesagt noch nie aus eigenem Antrieb und vor allem alleine in ein klassisches Konzert gegangen. Umso mehr freute ich mich darüber, wie mitreissend das Orchester spielte. Vor allem von der Sinfonie Bruckners war ich völlig hingerissen. Bisher hatte ich von Bruckner nur so eine vages unschmeichelhaftes Bild von einem uninspirierten langweilig-verkniffenen Perfektionisten im Kopf, von dem ich auch nicht mehr weiss, wo es herkommt. Doch diese wundervolle Sinfonie stellte den vorherigen Beethoven noch ganz und gar in den Schatten. Sie sparte an keiner Stimmung, schwankte zwischen zart und verhalten und donnernd und dramatisch und liess dem Zuhörer nie genug Zeit, sich in einer Stimmung sicher zu fühlen und auszuruhen, sondern riss ihn immer weiter mit im Strudelmeehr der Töne. So begeistert war ich, dass ich danach trotz Halsweh und Müdigkeit mich noch den Estudiantinas anschloss und mit einem Quesadillo in der Hand (feurig scharf gefüllte Tortillas) singend durch die Gassen zog.
Den nächsten Tag ging ich nach dem Frühstuecken ein bisschen bummeln. Als ich an einer Kirche vorbeikam, sah ich zwei Bräute in sahnebaissermässigen Hochzeitskleidern vor dem Kirchenportal warten. Kurzerhand setzte ich mich in eine der hinteren Reihen in der Kirche und schaute mir die Doppeltrauung an. Das war schon recht romantisch. Leider stand neben dem Altar ein Riesengerüst und immer wieder liefen Touris, die ein bisschen schwer von Begriff waren, durch das Kirchenschiff und machten geräuschvoll Photos. Das wird bei mir mal anders laufen, ganz klar. Später verzog ich mich mit einem Buch und einem Pappkaffee auf den Berg mit dem Aussichtspunkt, um dort auf einer schattigen Bank den Ausblick zu geniessen und meinen Sonnenbrand vom Vortag zu pflegen. Zwischendrin hatte ich vorsorglich noch eine Theaterkarte für den Abend ergattert. Im Teatro Juarez, dem ältesten und schünsten Theater der Stadt, sollte Lope de la Vegas Stueck "Die Verrückten von Valencia" aufgefuehrt werden. Als ich mit einer Kugel Eis in der Hand zum Theater schlenderte, sah ich aber schon von weitem die breite, ganz von klatschenden und johlenden Leuten besetzte Theatertreppe. Anlass für den Spass war ein Clown am Fuss der Treppe, den ich persönlich ziemlich unlustig fand. Ich versuchte daher einfach nur irgendwo einen Platz in der Menge zu finden und in Ruhe mein Eis zu essen und die Leute zu beobachten. Es war aber gar nicht so einfach, einen Weg durch die Menge zu bahnen, und ich muss mich ganz schön dämliczh angestellt haben, denn plötzlich richteten sich alle Augen auf mich. Offensichtlich hatte mich der Clown zu seinem Opfer erkoren und kam die Treppe herauf auf mich zu. Die Leute fanden das urkomisch und riefen lachend, Beso, Beso. Ich hatte aber wiederum überhaupt keine Lust, den doofen Clown zu küssen, und sprang weiter nach oben, bis kein Durchkommen mehr war. Zu seiner Enttaeuschung musste sich der Clown aber mit einem Kuss auf die Wange zu Frieden geben. Als er das nächste Mal mürrisch in meine Richtung guckte, warf er mir ein riesiges Stück Stoff entgegen, mit den Worten, mein Röckchen würde ihn ablenken. Na gut. Mexikaner! Kurz darauf öffneten sich die Türen des Theaters und ich verzog mich aus dem Wirkungskreis des verrückten Clowns, der schon wieder irgendwelche vorbeilaufende Mädchen nervte, ins Innere des Theaters. Was für ein zauberhaftes Haus! Allein sich das Theater anzuschauen, lohnte schon den Besuch des Stückes. Die Bühne wurde von prächtigen schweren roten Samtvorhängen verborgen und der Zuschauersaal war mit ornamentreichen Wandmalereien verziert. Vom Stück verstand ich aufgrund des jahrhundertealten Textes nur ein Drittel, dafür war die Darbietung der Schauspieler umso lustiger. Die "Verrückten von Valencia" spielt nämlich in einem Irrenhaus, in welchem sich ein Edelmann verstecken muss, weil er verdächtigt wird, den Prinzen getötet zu haben. Um nicht aufzufallen, tarnt er sich selbst als Geistesgestörter. Dann wird jedoch eine hübsche junge Frau eingeliefert, die ebenfalls nicht verrückt ist, und sie verlieben sich ineinander, ohne voneinander zu ahnen, dass sie beide nur aus verschiedenen Gründen ein Versteck suchen, und gar nicht verrückt sind. Natürlich gibt es noch eine Menge anderer Personen, die alle auf die ein oder andere Weise in einander verliebt oder gestört sind und es gibt ein ziemliches Trara. Und alles endet wie bei Shakespeare in einem grossen, alles auflösendem Gefühlsspektakel.
Die letzte Nacht im unfreundlichen Stinkehostel verging dann auch noch und ich machte mich am nächsten Morgen wieder auf "nach Hause", in meine liebe kleine Wohnung auf dem Dach.

martes, 6 de mayo de 2008

2.05.2008: Totenkult in Mexiko

Das "Museo de las momias" ist eine der Hauptsehenswuerdigkeiten in Guanajuato. Ausgestellt werden jedoch keine Mumien im klassischen Sinne, also keine nach aegyptischer Art und Weise praeparierten Koerper. Heutzutage versteht man laut Mumienmuseum unter einer Mumie einen Koerper, der nach seinem Tode so vertrocknet ist, dass er seine Gestalt behaelt und ebenso konserviert werden kann wie zur Stunde seines Todes (naja, fast...).
In Guanajuato gibt es besonders viele dieser Mumien aufgrund einer besonderen Friedhofsregelung. Frueher durften die Toten in Guanajuato nur fuer fuenf Jahre in ihren Graebern ruhen. Wenn dann die Angehoerigen die Kosten danach nicht mehr tragen wollten, wurden die Ueberreste exhumiert (es soll allerdings auch die Verfahrensweise geben, dass Menschen direkt nach ihrem Tode mumifiziert werden - in diesem Falle hatte die Familie vorher die Entscheidung getroffen. Fuer den Toten stellt dies eine besondere Ehre dar, da er - meist in seinem besten Sonntagsstaat - fuer die Nachwelt erhalten bleibt). Viele dieser lufgetrockneten Koerper kann man sich im Museum anschauen. Es ist aber allgemein bekannt (sagt Stefan), dass Europaeer ziemlich bestuerzt auf die Ausstellung reagieren. Mir geht es dabei nicht anders. In den Raeumen las ich mir noch interessiert die Ausstellungstafeln durch und warf nur hin und wieder einen Blick auf die ledernen, mit Stoff- und Hautfetzen bedeckten Skelette. Dann kam ich aber in den Raum der "Angelitos", exhumierte Leichen von Babys. Sie werden Angelitos (Engelchen) genannt, weil man annahm, dass sie aufgrund ihres Alters noch so rein und unschuldig seien, dass sie direkt in den Himmel aufgestiegen waren. Angesichts dieser "Ausstellungsobjekte" verging mir allerdings die letzte morbide Lust, mir das Museum weiter anzusehen und ich stapfte zum Ausgang, so wie viele Europaeer vor mir. Die mexikanischen Reisegruppen hingegen verweilten lange in jedem Raum und liessen sich von ihrem Museumsfuehrer begeistert die kulturellen Hintergruende und Entstehungsgeschichten der einzelnen Mumien erklaeren. Hierin zeigt sich ein ganz wesentlicher Unterschied der mexikanischen Umgangsweise mit dem Tod zu unserer europaeischen, weshalb ich trotz meiner Abneigung gegen das Museum sehr fasziniert von dem Thema bin. In Mexiko sagt ein Sprichwort: "Der Mexikaner sucht , streichelt, foppt, feiert den Tod und schlaeft mit ihm. Er ist sein Lieblingsspielzeug und seine teuerste Geliebte". Das Spielerische spiegelt sich vor allem in der Begeisterung der Jugendlichen fuer "lebensmuede" Aktionen wieder, wie Autorennen in engen Tunneln. Derjenige gewinnt, der dem Tod am unbekuemmertsten ins Gesicht sieht. Die staendige Praesenz des Todes kommt aber besonders durch den Día de los muertos, einen der wichtigsten nationalen Feiertage, zum Ausdruck. Dieser Feiertag entspricht im urkatholischen Mexiko unserem Totensonntag. Doch wohingegen man in Europa in aller Stille und Trauer den Verstorbenen gedenkt, wird in Mexiko gefeiert. Für die Toten werden kleine Opferschreine mit Blumen und ihren Lieblingsessen im Haus der Familie aufgebaut. Dann findet sich die ganze Familie zusammen und bittet gemeinsam die verstorbenen Seelen zu Tisch. Zusammen ist, trinkt und tanzt man ausgelassen bis zum spaeten Abend. Schliesslich begleitet man die Toten zurueck zum Friedhof und verabschiedet sich von ihnen bis zum nächsten Jahr.
Dieses exotische Zeremoniell zeigt, wie der Tod in Mexiko aus der Stille des Privaten in die Öffentlichkeit geholt wird. Leben und Tod scheinen nicht wie bei uns zwei getrennte Welten zu sein, sondern nur zwei Aspekte der gleichen Realität. Der offene Umgang der Mexikaner mit dem Tod ist überall ersichtlich durch das Symbol des Skeletts. Im Frida-Kahlo-Haus schmücken grosse bunte Pappmaché-Skelette den ganzen Innenhof. An den Souvenir-Ständen gibt es haeufig kleine Skelett-Figuren oder Schluesselanhaenger zu kaufen. Auch die stilisierte Figur des Todes mit ihrer Sense und dem schwarzen Umhang ist auf Raeucherstaebchenverpackungen, Suessigkeiten oder als Faschingskostuem im Schaufenster zu sehen. Oder bei feierlichen Umzuegen, fuer die sich die Leute Totenkopffratzen ins Gesicht schminken.
Auch wenn mich diese Tradition etwas befremdet, wuerde ich mir wuenschen, dass wir uns ein bisschen dieser gemeinschaftlichen Erinnerung an die Verstorbenen, der gemeinsamen Trauerbewaeltigung und der Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit abschauen wuerden.

domingo, 4 de mayo de 2008

2.05.2008: Ein Morgen in Guanajuato

Mein Tag beginnt mit einem koestlichen Fruehstueck in einem urgemuetlichen Café an einer der Plazuelas in Guanajuato (das Fruehstueck im Hostel, dass man traurig und allein im dunklen Gang vor sich hin muemmelt, zaehlt nicht). Es gibt Eier nach mexikanischer Art (scharf!), dazu Frijoles-Bohnenbrei (klar...), und Kaffee (fuer 2 Euro). Perfekt. Die Sonne scheint warm (vieeeeeeeel waermer als in D.F.), irgendwo im Hintergrund spielt ein Klavier. Ein Springbrunnen plaetschert vor sich hin. Leute schlendern ueber den Platz. Dicke mexikanische Kinder fuettern dicke mexikanische Tauben. Ploetzlich kommt ein riesenhaftes furchteinfloessendes Kaefertier angeflogen und will mir an mein Ruehrei. Ich krietsche beherzt und schlage mit der Zeitung um mich. Die Leute gucken kurz bestuerzt, Kaefertier verschwindet und alles wird wieder ruhig und angenehm. Ich hab ein bisschen Schnupfen von der kalten Hostelnacht. Das steht heute an: Es gitb ein Mumienmuseum in Guanajuato, welches ich mir anschauen werde. Und heute abend gehe ich ins Konzert. Im Teatro Principal spielt naemlich jeden Freitag abend das Symphonie-Orchester von Guanajuato. Da machen sich alle Einwohner schick und gehen hin. Sagt Stefan. Also ich auch.

1.05.2008: Kurzurlaub in Guanajuato

Heute ist scheinbar in aller Welt Feiertag und so auch hier. Also habe ich einen meiner kostbaren Urlaubstage auf morgen gelegt, um fuer ganze 4 Tage der Grossstadt zu entfliehen und mir ein bisschen Mexiko anzuschauen. Die Zeit reicht zwar nicht aus, um an den Atlantik oder den Pazifik zu fahren, wohl aber, um die kleinen Hochland-Staedtchen im Norden kennenzulernen.
5 Stunden mit dem Bus entfernt von Mexiko-Stadt liegt Guanajuato, eine beruehmte alte Universitaetsstadt, umrahmt von maechtigen Bergen. 1988 wurde Guanajuato zum Weltkulturerbe ernannt, und zwar gleich die ganze Stadt. Die Einwohner tun seither alles, um diesen UNESCO-Status nicht zu gefaehrden. So gibt es keine Ampeln oder Leuchtreklamen in der Stadt, ganz zu schweigen von aufreibenden Brueckenbaudiskussionen. Dafuer aber jedemenge Muelleimer, von denen man in Mexiko-Stadt nur traeumen kann. Der innerhalb der letzten Jahre stetig gewachsene Verkehr wurde kurzerhand in ein ebenfalls fleissig wachsendes Netz unterirdisch verlaufender Tunnel geleitet. Das Resultat dieser Bemuehungen ist ein wunderbar sauberes und angenehmes Stadtbild. Den UNESCO-Status bekam Guanajuato uebrigens fuer seine hervorragend erhaltene, zusammenhaengende Kolonialarchitektur. Zwar haben auch hier die Bewohner mit den harten Denkmalschutzauflagen zu kaempfen und muessen sich selbst wegen eines kleinen Innenumbaus eine offizielle Erlaubnis holen. Guanajuato ist aber so huebsch, dass es wirklich ein grosser Verlust waere, es wie manch andere Stadt verlodern zu lassen.
In der Naehe von Guanajuato befinden sich ausserdem die beliebten Ausflugsorte San Miguel de Allende (auch Saint Mike genannt, weil dort so viele Amerikaner ueberwintern), Dolores Hidalgo oder auch Thermalquellen, in denen man wundervoll seine mueden Knochen waermen lassen kann.
Na mal sehen, im Moment bin ich noch nicht muede, sondern voller Entdeckungsdrang. Mein erster Ausflug. So eine Freude. Heute morgen stellte ich mir also auf 6 Uhr den Wecker, um mir bei Sonnenaufgang das erste Taxi zu schnappen und zum Busbahnhof Terminal de Norte zu fahren. Von dort aus fahren alle Busse Richtung Norden (insgesamt gibt es 3 grosse Busbahnhoefe in Mexiko-Stadt, die man je nach Fahrtrichtung auswaehlt). Angenehmerweise gibt es nicht nur ein unglaublich ueberteuertes und unfreundliches Busmonopol (...Saenk yu vor traeveling mit...), sondern viele verschiedene Unternehmen, die gegenseitig ihre Preise in den Keller druecken. Dadurch kann man naemlich mit einem traumhaften 1.Klasse-Reisebus 5 Stunden ueber die Lande schweben und braucht dafuer nur sage und schreibe 20 Eus zu bezahlen. Immerhin! Neben brandneuen Kinofilmen und Boardtoilette (die man auch benutzen darf, sonst ist das ja immer so ne Art Atrappe) haben viele dieser Busse auch nur 3 Sitze statt 4 pro Sitzreihe. Das heisst, dass Alleinreisende wie ich, denen daran etwas liegt, auch allein sitzen koennen (keine boesen Ueberraschungen beim Einsteigen bezueglich des Sitznachbarn, mit dem man die naechsten Stunden auf engstem Raum verbringt). Das ist toll. Kopfhoerer gibts auch und hochklappbare, gepolsterte Beinstuetzen. Mir wurde vor lauter Freude nicht mal schlecht.
So kam ich voellig ausgeruht am Busbahnhof in Guanajuato an. Der ist noch 6 km von der eigentlichen Stadt entfernt, aber mein Reisefuehrer ist fast sowas wie ein Einheimischer und weiss promt, wo es lang geht und welchen Bus ich nehmen muss. ich find ihn echt klasse. Er heisst Stefan - Stefan Loose. Stefan ist kein schoener Name, aber da kann ja Stefan nichts dafuer. Ich werde ihn von nun an Stefan nennen, wegen der persoenlichen Note. Dank Stefan war ich also schon 15 Minuten spaeter im Zentrum.
Mein Hostel ist leider nicht so traumhaft wie der Reisebus. Das Lobenswerteste ist der Preis, und dementsprechend laesst alles andere etwas zu wuenschen uebrig. Es mueffelt ziemlich (ich glaue, ein Klo leckt), die Decken sind verdammt duenn, mein Schlafsaal dient gleichzeitig als Abzugshaube fuer die fensterlose Kuech davor, und es gibt auch keinen Aufenthaltsraum (fuer Alleinreisende ein ueberlebenswichtiges Detail, da es ueber glueckliche, gesellige Stunden oder soziale Isolation entscheiden kann). Na, mir schnuppe. Ich geniesse es sehr, durch die allerliebsten Gassen der Stadt zu tiegern, mir die Maerkte anzuschauen oder in einem der zahllosen kleinen Cafés zu sitzen, die sich hier in Huelle und Fuelle an den vielen kleinen Plaetzen finden. Und gluecklicherweise sind die Einheimischen so nett, dass man schnell mit ihnen ins Gespraech kommt (was ja auch dem Spanisch nuetzt, nech). Nach einer ersten Stadterkundung hab ich mir meine Kamera geschnappt und bin auf den hoechsten Aussichtspunkt der Stadt, Pípila, gestiegen. Stefan erzaehlte irgendetwas von 15 min, die man fuer den Aufstieg braucht. Aber das ist ausnahmsweise Bloedsinn. Muss man (ich) doch bereits nach der Haelfte des Weges nach jeder Stufe Halt machen und irgendwie das Pfeiffen in der Lunge unter Kontrolle kriegen. Immerhin liegt Guanajuato noch hoeher als Mexiko-Stadt. Irgendwann bin ich dann aber doch oben angekommen und genoss den fantastischen Ausblick ueber das kunterbunte Staedtchen im Tal und die gewaltigen Berge dahinter. Mexiko ist schon verdammt wundervoll auf seine Art und Weise! In diesem Moment war ich sehr froh, hergekommen zu sein.
Am Abend setzte ich mich in ein kleines Café und guckte mir die immer wieder vorbeiziehenden Estudiantinas, studentische Musikantengruppen in traditionellen Gewaendern, an, die von Scharen begeisterter Stadtbewohner und Turisten begleitet wurden, allerorts stehenblieben und sangen oder die Leute zu den Strassenstaenden mit den Tortiallas und Quesadillas lockten. Und ich war seh zufrieden mit meinem Kurzurlaub.

miércoles, 30 de abril de 2008

30.04.2008: Sprachfrustration

Ich bin frustriert (temporaer). Wenn man in Deutschland einen Sprachtest macht, gibt es mehr oder weniger 6 Stufen zur Klassifizierung der Sprachkenntnisse. Je nach Anzahl des Vokabulars und Grammatikkenntnissen findet man sich zwischen A1, A2, B1, B2, C1 oder C2 wieder. A1 bedeutet, dass man mit Haenden und Fuessen ein Brot beim Baecker kaufen kann und nicht mit Weinen anfaengt angesichts unueberwindbarer Verstaendigungsschwierigkeiten. C2 heisst, dass man auf Muttersprachniveau intellektuelle Diskussionen ueber den Klimawandel fuehrt und dabei auch noch lustige Wortwitze reisst. Dazwischen ist ein Ozean von Vobalen, Grammatikregeln, Verbkonjugationen und Wortwendungen. Sozusagen eine megamaessige, riesige, unueberschaubare Buchstabensuppe. Ich schwimme irgendwo in der Mitte. Das heisst, ich finde mich gerade so zurecht in einer Unmenge von gleichklingenden Woertern und gemeinen Ausspracheabsonderlichkeiten. Im Spanischen klingt einfach alles gleich und bedeutet garantiert etwas ganz anderes. Wenn man Colador (Sieb) schnell nuschelt, klingt es genauso wie Perforador (Locher)oder Despertador (ein Wort das ich mir nur merken konnte, weil mein Mitbewohner in Madrid seinen Wecker nie gehoert hat und ich immer zu ihm hinueberrufen musste "Ceasar, tu despertadooooooor!!!"). Auch an die Unterscheidung von Puerta (tuer), puerto (Hafen) und puente (Bruecke) musste ich ganz schoen lange gewoehnen. Da kommt es schon mal zu Verwechslungen. Wenn man sich dann aber entschuldigt, und sagt, "ups, das ist mir aber peinlich" - Estoy embarazosa -, dann kann es gleich noch peinlicher werden, wenn man versehentlich "Estoy embarazada" sagt. Dann denken die Leute naemlich, man sei schwanger, und haben zudem keine Ahnung, warum man das ploetzlich so deplaziert erwaehnt (abgesehen davon ist es eine Fehlinformation). Dann ist es am besten, man sputet sich und verbessert rasant die Sprachkenntnisse. Die Spanier sagen dazu "ponerse las pilas" - sich die Batterien anlegen. Das weiss man aber auch nur, wenn man eben diese Redewendung schon kennt, sonst tappt man ziemlich im Dunkeln. Das alles ist gar nicht so schlimm, haette man nicht ein Buero voller Mexikaner, die zwar alle Deutsch koennen, aber sich trotzdem immer (Patrick, der vorherige Pratkikant hat gelogen!) auf Spanisch unterhalten - und das ist kein Schulspanisch, das ist reinstes, formulierungsreiches, Wir-reden-um-die-Wette-und-gucken-wer-eher-da-ist-Spanisch. Ich schwimme also weiter fleissig vor mich hin und versuche, mich von Treibholz (Sprachhindernissen) nicht irre machen zu lassen. Manchmal ist das gar nicht so leicht.

lunes, 28 de abril de 2008

Roemson vom Dach

Nun wohn' ich bereits ein Weilchen hier und habe noch kein Wort ueber meine wunderbare kleine Wohnung auf dem Dach verloren. Das Gebaeude des DAAD hat wie die meisten mexikanischen Stadt-Haeuser ein Flachdach und mein Heim ist einfach oben drauf gesetzt. Der freie Rest des Daches ist sozusagen meine Terasse und gross genug, um darauf Tennis zu spielen oder ein Picknick zu veranstalten. Dachparties wurden mir nach Erfahrungen mit bisherigen Praktikanten leider untersagt. Aufs Dach kommt man ueber die bereits erwaehnte, wackelige Wendeltreppe, vorbei an einer kleinen gruenen Zwischenterasse mit einem gelben Sonnenschirm. Von da aus hat man einen tollen Ausblick ueber die anliegenden Daecher und die etwas entfernteren Hochhaeuser. Die Wohnung selbst ist ungefaehr 35 m2 gross und besteht aus einem kleinen Flur (mit Kuehlschrank und Waschmaschine und Waeschestaender und Putzzeug), einem Bad (mit Dusche) und einem geraeumigen Wohnraum. In dem grossen Zimmer gibt es eine ausreichend ausgestattete Kuechenzeile mit einem laenglichen Tisch und 2 Barhockern. Der kleine Camping-Herd laesst sich zwar nicht regulieren, sondern nur an- oder ausschalten, aber das ist fuer einen wahren Hobbykoch kein Hindernis. Dafuer habe ich einen Computer mit Internetanschluss in meiner Wohnung und alleine das bedeutet in Mexiko Luxus pur. Und einen grossen Schreibtisch. Und einen bequemen Drehstuhl (...ich weiss eigentlich gar nicht, warum ich ueberhaupt unten im Buero arbeite). Und ausserdem ein riesiges bequemes Bett mit zwei superbequemen Kissen, auf dem ich auch quer schlafen kann - was in aller Welt will man mehr? Im Uebrigen wohne ich mietfrei. Und das Viertel zaehlt zu den Besten der Stadt, ist 5 Minuten Fussweg entfernt von den schicksten Kneipenmeilen und auch nachts ziemlich sicher (da die Edelkarossen hier schon bei Entfernung von 10 m anfangen zu heulen, traut sich da sowieso niemand heran). Klingt gut, oder? Klingt gut!

23.04.2008: Praktikumsroutine

Heute ist mein dritter Praktikumstag und eigentlich nichts besonderes im Terminplan. Deswegen nutze ich die Gelegenheit, meinen typischen Tagesablauf (ja, so etwas buergert sich schneller ein, als man denkt) zu beschreiben - danach konzentriere ich mich wieder auf Mexiko D.F. und nur noch auf besondere Ereignisse beim DAAD. Immerhin heisst der Blog ja "Meine Zeit in Mexiko D.F." und nicht "meine Zeit beim DAAD", nech? Also: Nachdem ich fein bis um acht geschlafen und mich in aller Ruhe fertig gemacht habe, huepfe ich um Punkt neun die wackelige Wendeltreppe herunter ins Buero (das Problem daran, direkt im Buerogebaeude zu wohnen, ist, dass man es nicht auf die Verkehrsmittel schieben kann, wenn man zu spaet kommt). Wenn nicht sofort jemand auf mich zu stuerzt und mich mit Papierbergen verschuettet, habe ich Zeit fuer mein morgendliches Ritual: Briefkasten leeren, eventuelle Uni-Broschueren in unserer Bibliothek einsortieren, mir einen Kaffee holen und mich mit der Tageszeitung "La Reforma" in mein Buero zu setzen. Vorher bringe ich aber Daniel noch den Sportteil - das ist ein fixe Groesse im Praktikanten-Aufgabenprofil und er freut sich immer riesig drueber. Dann lese ich in aller Ruhe die "Reforma" durch. Eigentliche Aufgabe ist, die Zeitung nach Artikeln ueber mexikanische Universitaeten und Forschungsinstitute, Bildungsreformen etc zu durchforsten, diese auszuschneiden und zu archivieren, damit sie fuer den jaehrlichen Mexiko-Bericht des DAAD mit verwendet werden koennen. Aber wenn Zeit ist, lese ich auch die anderen Artikel. Besonders der Internationale Teil ist interessant, da fuer Mexiko sowohl die US-Politik als auch die Politik der uebrigen Lateinamerikanischen Laender wichtig ist, wohingegen die EU eine eher nebensaechliche Rolle spielt. Gerade in Erinnerung an die tagtaeglichen Riesenartikel ueber Carla und Sarkozy in den spanischen Zeitungen ist das eine angenehme Abwechslung. Meistens ist dann auch noch ein bisschen Zeit zum Email-Lesen. Spaetestens dann melden sich Nadiana, Daniel oder Susanne mit Textuebersetzungsvorlagen, Exceltabellen, Bestellauftraegen, Rechercheanfragen oder Kopiervorlagen. Ab und zu Kopieren oder den Tisch im Konferenzraum decken gehoert natuerlich auch zu meinen Aufgaben, aber da ich die allermeiste Zeit interessante und anspruchsvolle Dinge zu tun habe, ist das zu verschmerzen. Immerhin habe ich bisher noch keinen Kaffee kochen muessen (Klopf auf Holz). Zwischen 14 und 14:30 treffen wir uns zur gemeinsamen Mittagspause in der Kueche. Obwohl 14 Uhr fuer meine Verhaeltnisse schon ein bisschen spaet ist (immerhin sind wir seit 9 im Buero), wird es meistens sogar noch spaeter als halb drei. Ich bin dann meistens schon fast verhungert und husche bereits seit einer halben Stunde immer wieder verstohlen in die Kueche, um zu gucken, ob da schon jemand sitzt. Fast immer ist diese aber noch leer, und ich husche wieder zurueck in mein Buero und tu beschaeftigt. Irgendwann wird aber doch gegessen und das ist immer sehr angenehm. Die Pausensprache wechselt zwischen Deutsch und Spanisch hin und her, und je nach dem sage ich ein bisschen mehr oder etwas weniger. Das Essen bringt man entweder mit, bereitet sich noch schnell was in der Kueche zu oder bestellt sich was - mein Favorit! Ich habe naemlich den Eindruck, dass hier Bestellen fast billiger ist als selbst zu kochen. Der einzige Supermarkt in meiner Naehe hat einfach gepfefferte Preise. Dafuer kann man sich aber eine grosse Portion Sushi bereits fuer 36 Pesos (2 Euro !!!!!!!!!!!!!) bestellen - ohne Zuschlag fuer die Lieferung. Oder ich kaufe mir einen Salat im 7/11 um die Ecke. Die letzten Tage habe ich mir schon den Ruf eingefangen, ein Salatfreak zu sein. Dabei ist der Salat das einzig Geniessbare in dem Laden, wenn man nicht auf fetttriefende Sandwiches zurueckgreifen moechte, und ich bin recht weit entfernt davon, ein Salatmensch zu sein. Obwohl, es gibt da einige ziemlich leckere Rezepte....ich schweife ab. Die Mittagspause dauert meist etwa eine Stunde. Gegen halb vier setze ich mich dann wieder an meinen PC und arbeite weiter woran immer ich gerade arbeite. Und um fuenf verabschiede ich mich brav und hoeflich und verziehe mich in mein suesses kleines Gemach oben auf dem Dach, wo ich mich von den Strapazen des Tages erhole (auch wenn das nicht so klang, aber ich bin im Moment immer noch ziemlich geschafft am Abend).

22.04.2008: Ins kalte Wasser

Am Morgen meines 2. Praktikumstag ging ich mit einem recht unguten Gefuehl hinunter ins Buero. Mein Platz war heute an der Rezeption, um alle Leute willkommen zu heissen und die Anrufe weiterzuleiten. Was meine bisherigen Erinnerungen an Telefonate mit Spaniern angeht, so halfen mir diese nicht unbedingt, mich mehr auf diese Aufgabe zu freuen. Die einzigen Male, die ich in Madrid auf Spanisch telefoniert habe (abgesehen von meinem sehr netten und geduldigen Mitbewohner), haben die Leute am anderen Ende aufgelegt oder irgendetwas in den Hoerer gebrabbelt, von dem ich nicht ansatzweise etwas verstand. Ganz schlimm war das zu Beginn, als ich noch kein Wort Spanisch sprach und mir ein Zimmer suchen musste. Da bei den Wohnungsanzeigen natuerlich nur Telefonnummern angegeben waren, blieb mir gar nichts anderes uebrig, als zum Hoerer zu greifen. Die andere Seite faselte dann irgendwas, ich fragte schliesslich schuechtern, wo die Wohnung eigentlich war, und verbrachte anschliessend 15 Minuten damit, das Strassenverzeichnis von Madrid zu ueberfliegen und eine Adresse zu finden, die irgendwie so klang wie das Kauderwelsch aus dem Telefon. Allerdings muss ich zu meiner Verteidigung vorbringen, dass die Madrilener auch wirklich reden, als waeren sie gerade vom Zahnarzt zurueck, die Betaeubungsspritze ist noch nicht abgeklungen und zudem haben sie vergessen, die Wattebaeusche herauszunehmen. Die Mexikaner sind dagegen Musterkinder der Artikulation. Jedoch sind sie wiederrum so hoeflich, dass sie lieber fluestern, als auch nur annaehernd Gefahr zu laufen, zu laut zu reden, was mir wiederrum das Gefuehl gibt, ich haette vergessen, meine Oropax heraus zu nehmen. So oder so, ich sass am Telefon, guckte betont laessig und zuckte jedesmal zusammen, wenn es klingelte. Und - klar- es klingelte permanent. Das waere ja nicht so schlimm gewesen, wenn nicht Nadiana mit im Raum gesessen haette. Sonst haette ich ja so tun koennen, als haetten sich alle Anrufer verwaehlt oder so. Nadiana spricht dank columbianischer Mutter perfekt spanisch und hatte hoechstwahrscheinlich die ganze Zeit beide Ohren gespitzt. Doch so sehr ich mir auch Muehe gab, ich vestand keinen der Anrufer beim ersten Mal. Nicht einmal den Namen der Person, mit der sie sprechen wollten (warum koennen sie den nicht deutlich sagen?? Bla bla bla bla bla bla SUSANNE FABER bla bla bla bla). Ich konnte sie aber nicht permanent bitten, einfach alles zu wiederholen. Also musste ich mir schnell irgendwelche intelligent klingenden Fragen ausdenken (so wie "und mit wem darf ich Sie verbinden?", oder "um welche Stipendien handelt es sich denn?"), damit Nadiana nicht merken wuerde, dass ich schon wieder nix verstanden hatte. Der Anrufer hatte sicher all das schon ausfuehrlich in seiner Einleitung erklaert und kam sich ziemlich verarscht vor, das Gleiche noch einmal erzaehlen zu muessen. Aber egal. Nadiana fands gut, und meistens konnte ich dann wenigstens bei der Antwort irgendein Schlagwort heraushoeren, und den verdutzten Anrufer weiterleiten. In der Zwischenzeit hatte mir Susanne englische Werbetexte von deutschen Universitaeten fuer den Newsletter zur Uebersetzung gegeben. Da kamen so Worte drin vor wie "Junior Research Assistent Fellowship". So was kann ich nicht mal auf Deutsch uebersetzen. Mit der Hilfe von Uebersetzungsseiten im Internet laesst sich aber gluecklicherweise alles irgendwie zusammenbasteln. Als ich meine Texte schliesslich bei Susanne ablieferte, und mich nach Kritikpunkten erkundigte, meinte sie einfach: "Keine. Du schreibst gut" - Den Rest des Tages war ich verdammt gut drauf (ausserdem traf ich mich noch mit Sophie auf einen leckeren Cocktail im Kneipenviertel Zona Rosa. Die Zona Rosa wurde urspruenglich wirklich wegen ihrer schoenen Gebaeude so genannt, heute ist Rosa aber eher treffend fuer die homoerotische Szene da).

sábado, 26 de abril de 2008

21.04.2008: 1. Praktikumstag

Puuh. Es ist abends 23 Uhr, mein erster Praktikumstag ist vorüber und ich bin ziemlich geschafft. Erste Tage sind ja generell immer sehr anstrengend. Die ganze Zeit ist man auf der Hut, das richtige zu sagen und zu tun und irgendwas zu vermeiden, was einen in ein komisches Licht rücken könnte. Denn alles was man an seinem ersten Tag tut, ist sofort Grundlage für die anderen, einen einzuschätzen. So wie ein weißes Blatt, auf dem jeder Strich entscheidend für das Gesamtbild ist. Das ist sicher nicht so tragisch, wenn man sowie ich nur 2 Monate an einem Arbeitsplatz bleibt. Allerdings können auch diese wenigen Wochen sehr lang werden, wenn man sich mit den Kollegen nicht versteht oder vor Anspannung wie eine überlastete Aufziehpuppe herumläuft. Naja, ich hoffe, das bleibt mir erspart.
Diese Nacht habe ich nicht sonderlich viel geschlafen, zum Einen, weil ich ein bisschen nervös war (es besteht immer noch die Möglichkeit, dass alle merken, dass ich kein Spanisch kann und mich hochkant auf die Straße setzen), und zum Anderen, weil die nette ältere Peruanerin in unserem Zimmer, die mir nur bis zur Schulter reicht, alle halbe Stunde durch unser Mehrbettzimmer wuselte. So war ich aber wenigstens zum Frühstück pünktlich fertig und setzte mich wenig später in mein Taxi, dass mich in die Calle de Kepler, wo ich jetzt wohnen werde, brachte. Glücklicherweise hatte man mir den Plan, dahin zu laufen (weil ja auf den Karten immer alles so nett nah beieinander aussieht), aus dem Kopf geschlagen. In Mexiko City ist nichts nah beieinander! Nachdem mein Taxi gerade noch haarscharf einem Autounfall entgangen war, kam ich ungewohnt pünktlich am DAAD-Gebäude an. In der Rezeption des kleinen, eher villenartigen Hauses wurde ich vom bisherigen Praktikanten, Patrick, begrüßt und ein bisschen in die Abläufe eingeführt. Vor allem aber konnte er mich ein bisschen bezueglich der sprachlichen Anforderungen beruhigen. Er selbst haette nur einen Sprachkurs in Deutschland besucht und ein bisschen was vor Beginn des Praktikums aufgeschnappt. Also alles nicht so tragisch. Dann schleppten wir noch mein Gepäck ueber eine kleine Wendeltreppe in sein altes und mein neues Heim auf dem Dach des Gebaeudes (dazu später noch mehr), bevor wir uns mit Susanne im Konferenzzimmer zur Begrüßung und Praktikumsbesprechung trafen. Susanne ist fuer das Marketing und alle PR-Angelegenheiten der Aussenstelle zustaendig. Ausserdem uebernimmt sie, wenn der Chef nicht da ist, die Leitung. Von ihr war ich sofort sehr angetan. Sie ist nicht viel aelter als 30 und hat trotz ihrer verantwortungsvollen und arbeitsreichen Aufgabe so etwas unbefangenes und kindliches. Sie erklaerte mir recht ausfuehrlich die Aufgaben des DAAD in Mexiko ( die 5 olympischen Ringe: Stipendienvergabe, Alumni-Betreuung, Repraesentation der deutschen Hochschullandschaft im Ausland, Pflege internationaler Beziehungen, Entwicklungshilfe...glaube ich) und kurz meine Aufgaben. Und betonte ausdruecklich, dass die Sprache im Buero Spanisch sei und sich alle Mitarbeiter daran halten wuerde. Augenblicklich stand ich wieder unter Strom (Wie? Was? Patrick, was soll das?!?!). Anschliessend fuehrte sie mich im Haus herum und stellte mich den anderen Mitarbeitern vor, bevor sie mich wieder an Patrick uebergab, der mir noch die ein oder andere Aufgabe erklaerte und meine ganzen Fragen geduldig versuchte zu beantworten. Denn letztendlich hatte ich immer noch keinen blassen Schimmer, was ich eigentlich zu tun hatte, und mir graute davor, dass Patrick sich aufmachen wuerde zum Flughafen (zurueck nach Deutschland), und ich ploetzlich da stuende und irgendwie versuchen muesste, Kompetenz auszustrahlen und furchtbar beschaeftigt zu wirken. Ich fragte ihn also rundheraus, ob er mir nicht einfach beschreiben koenne, wie ein ganz normaler Arbeitstag aussieht. Er lachte aber nur und winkte ab mit den Worten, dass bei dem Stress hier sowieso kein geregelter Arbeitsalltag moeglich sei. Ehrlich gesagt, beruhigte mich das ueberhaupt nicht. Immerhin hatte er in soweit recht, dass ich mir ueber meine Beschaeftigung wirklich keine Sorgen zu machen brauchte. Kaum war er weg, stand schon Susanne auf der Schwelle zu meinem Buero und erklaerte mir aufgeregt, dass sie voellig vergessen haette, den Newsletter fuer diesen Monat herauszuschicken und dass dieser spaetestens Mittwoch fertig sein muesse. Am Besten, wir wuerden gleich anfangen, den zusammen herunter zu schreiben ("Du schreibst doch fliessend in Spanisch, oder?!" - "Schluck!"). Gerade als sie wieder zur Tuer heraus war, klingelte mein Telefon, und Nadiana rief mich in ihr Buero. Nadiana ist Oesterreicherin und fuer die Kurz- und Gruppenstipendien zustaendig. Sie teilte mir kurz mit, dass sie ab Freitag fuer 3 Wochen im Urlaub sei und ich ab da an ihren Posteingang und ihre Alumni-Pflege uebernehmen solle. Ich hatte keine Ahnung, was das bedeutete, aber schon setzte sie zu einer 1 1/2-stuendigen Erlaeuterung ihrer Excel-Tabellen und ich fuehlte mich rundweg ueberfordert. Kurz darauf kam Pamela, die chilenische Sekraeterin zu uns herueber und meinte, sie muesste den naechsten Tag zu Hause bleiben. Ihr Sohn sei krank. Kein Problem, meinte Nadiana, Romy kann ja die Rezeption uebernehmen. Was das hiesse, fragte ich. Nadiana antwortete, Na, Telefon annehmen und weiterleiten, Besucher empfangen, Bestellungen aufgeben. Mir wurde ein bisschen schlecht. Den Rest des Tages verbrachte ich in vollkommener innerer Aufruhr. Um drei lernte ich schliesslich den Chef persoenlich kennen - Herrn Dr. Spitta. Herr Spitta hat sein halbes Leben in Lateinamerika verbracht, ist um die 65 und eine Rothaut, wie sie im Buche steht. Vor wenigen Stunden kam er von einer Reise nach Argentinien zurueck, wo alle seine Geschwister leben und er selbst gerade seine Altersresidenz plant. Mit seinem beigen Leinenanzug sah er aus, als waere er gerade von einer Safari mit Hemingway zurueckgekommen. Er guckte mich ein bisschen schraeg ueber seine Halb-Mond-Brille hinweg an, wechselte einige nette Worte mit mir und rief dann direkt alle Mitarbeiter ins Konferenzzimmer zu einer Lagebesprechung (es haette mich nicht gewundert, wenn er seinen Kompass aus der Hemdtasche gezogen haette). Die Besprechung zog sich unguenstigerweise ziemlich in die Laenge. Meine Aufregung hatte sich naemlich mittlerweile auf den Magen geschlagen und war von dort aus sehr erpicht darauf, mich bereits an meinem ersten Praktikumstag zu blamieren (das kann man jetzt deuten wie man will). Ich sass also mehr oder weniger die ganze Zeit mit einem hoechst aufmerksamen und teilnahmsvollen Gesicht da, waehrend ich eigentlich nur versuchte, die Armeen in meinem Bauch unter Kontrolle zu bekommen. Wenn ich etwas hasse, dann, dass ich immer auf alles so psychosomatisch reagiere. das ist echt unprofessionell! Wie auch immer, alles hat einmal ein Ende und so auch diese Sitzung und damit dieser 1. Tag. Bevor ich mich hoch in mein Zimmerchen verkroch, um meinen Kopf unter die Decke zu stecken, verabschiedete ich mich noch von Susanne, die ja in gewisser Weise mein persoenlicher Chef ist. Leider hat Susanne die Angewohnheit, jedes Gespraech oder Aufgabe erst einmal in Ruhe zu Ende zu fuehren, bevor sie darauf reagiert, dass man sich schon ein Weilchen die Beine in den Bauch steht. Naja, wenigstens sah ich dabei dekorativ aus ;) (ich hatte mir fuer meinen ersten Praktikumstag eine Kombination aus gruenen, ausgeschnittenem Shirt und gruen-weiss-gebluemten, weich fallenden Rock ausgesucht). Nach dem ich ein bisschen herumgeguckt und gestanden hatte und Susanne mit Daniel zu Ende geplauscht hatte, konnte ich mich denn auch dienstbeflissen verabschieden. Und aufatmen. Ich hasse 1. Tage. Dieser war nicht sooo unangenehm. Morgen wird schlimmer. ich sitze an der Rezeption.

20.04.2008: Quaeker-Andacht, Blumenmarkt, Diego-Rivera-Haus

Jeden Sonntag findet im Hostel "Casa de los Amigos" eine gemeinsame Quaeker-Andacht statt. Das wollte ich mir diesmal nicht entgehen lassen. Am Tag zuvor hatte Dan uns schon von den Quaekern vorgeschwaermt. Ganz habe ich das Prinzip nicht begriffen, aber immerhin soviel: Die Quaeker sind die Netten unter den Christen. Sie ueben sich vorbildlich in Toleranz und erkennen jedem Menschen einen eigenen goettlichen Geist zu. Daher verzichten sie waehrend ihrer Andachten auf einen Pfarrer, der diese begleitet, denn nach ihrer Ansicht kann jeder selbst in der Stille mit Gott in Verbindung treten. Wer eine "Nachricht empfaengt", darf aber aufstehen und diese den anderen mitteilen. Eigentlich sitzt man also bei den Andachten nur schweigend herum und wartet, bis einer erleuchtet wird und irgendetwas sagt.
Bei unserer Sonntagsandacht wurde leider keiner erleuchtet, und ich glaube, Dan ist sogar eingeschlafen. Die Andacht hat insofern meine Skepsis gegenueber dem Quaekerkonzept nicht ganz beseitigen koennen. Ausserdem wuerden mir die schoenen klassischen Kirchenlieder, die Predigten des Pfarrers und das gemeinsame Beten fehlen. Ich glaube auch nicht, dass sich - so wie es die Ueberzeugung der Quaeker ist - jeder Glaeubige alleine aus seinem persoenlichen Gedankengestruepp loesen und den Weg zu Gott finden kann. Mein Gefuehl ist, dass es dafuer manchmal eines Aussenstehenden bedarf, der einen aufruettelt, die eigene Perspektive aendert und sich selbst in Relation zu den uebrigen Glaeubigen setzt. Trotzdem bewundere ich jeden, der aufgeraeumt und bedacht genug ist, sich ganz allein und in innerer Ruhe auf Gott einzulassen.
Danach war es immerhin schon Mittag und Sophie und ich machten uns auf zum Diego-Rivera-Haus, der perfekten Ergaenzung zum vorherigen Tag! Riveras Haus ist jedoch, obwohl der Mann selbst so ein Koloss war, recht klein und sehr funktional eingerichtet und gestaltet - kommunistisch eben. Unser Besuch war daher eher kurz. Bis auf sein Atelier fand ich es nicht gerade umwerfend. Zu unserer groesseren Freude kamen wir auf dem Hinweg an dem groessten Blumenmarkt in Mexiko D.F. vorbei. An einem der zahlreichen, mit Rosenbouquets geschmueckten Staenden sprach uns ein netter Blumenverkaeufer an und drueckte uns jeweils eine lachsfarbene duftende Rose in Hand. Diese waren zwar am Abend schon voellig welk und knittrig geschnueffelt. Wir zwei freuten uns aber den ganzen Tag einen Keks ueber sein nettes Geschenk.
Nach der etwas enttaeuschenden Rivera-Haus-Besichtigung gingen wir in ein gegenueberliegendes ehemaliges Karmeliterkloster, dass zu einem Luxus-Restaurant umgestaltet worden war und der mexikanischen Upper-Class elegante mehrgaengige Menues unter schattenspendenden Palmen bietet. Das Kloster ist einfach umwerfend schoen und mit seinen verschiedenen kleinen Innenhoefen und dem hinten anliegenden Klostergarten noch hervorragend erhalten. Den heiss ersehnten Kaffee haben wir aber angesichts der luxorioesen Preise vrschoben.
Mittlerweile hatte ich das starke Gefuehl, mir einen handfesten Sonnenbrand einzufangen, da wir schon die ganze Zeit in der Mittagshitze umherliefen. Es gaebe ja wahrhaftig nichts schoeneres, als am ersten Praktikumstag mit Kreislaufproblemen und Magenkarussel im Buerobad zu haengen. Naja, bis zum Abend deutete noch nichts darauf hin, und deswegen war ich sehr froh, dass Sophie mich ueberredete, noch den empfohlenen Spaziergang von dem Sadtteil San Angel, in dem wir uns gerade befanden, nach Coyoacan zu machen, anstatt sofort ins Hostel zu fahren. Der Weg fuehrt naemlich durch eine der ausweisslich schoensten Strassen Mexiko D.F.s, die Avenida Francisco-Sosa. Ich bin immer wieder sehr ueeberrascht, wie viele schoene Eckchen diese Stadt zu bieten hat, die als ein solches Moloch verschrien ist. Die Avenida Francisco-Sosa ist, zum Beispiel, eine zauberhafte ruhige kleine Allee, in der man die Voegel zwitschern hoert, Kinder auf den Pflastersteinen spielen und idyllische kleine Cafes die Strassenraender saeumen - obwohl die Avenida mitten im Stadtzentrum liegt! Fast jedes der Haeuser ist in einer anderen froehlichen Farbe bemalt, und mit kleinen bunten Details oder Pflanzen in schweren Terrakottakruegen dekoriert. Auch bluehen in Mexiko gerade Baeume mit intensiv violetten Blueten, wie ich sie nie zuvor gesehen habe. Diese Blueten lagen ueberall auf den Fusswegen der Avenida und verliehen ihr das alerschoenste Sommerantlitz.
Am Ende der Avenida Francisco-Sosa gelangt man wieder zu den Marktstaenden von Coyoacan, die wir uns schon am Vortag angeschaut hatten, und so machten wir uns wieder auf ins Hostel.
Mittlerweile ist es 21 uhr und morgen faengt mein Pratikum an. Mir grauts. Bestimmt sieht man mir sofort an der Nasenspitze an, dass ich statt Spanisch Kauderwelsch spreche und nicht 10-Finger-schreiben kann und wirft mich wieder auf die Strasse. Dann bin ich obdachlos und umsonst nach Mexiko geflogen. Uiuiuiuiuiui. Das wird ein Spass.
Jetzt noch schnell Sachen zusammen packen und fuer den Umzug ins DAAD-Gebaeude morgen frueh fertig machen und dann Ratzepueh.