domingo, 25 de mayo de 2008

24.05.: Eine mexikanische Upper-Class-Hochzeit

Dagia hatte mich zu der Hochzeit ihrer Cousine eingeladen, welche am Samstag, den 24.05.2008 stattfinden sollte. Die Hochzeit sollte abends um acht mit der Trauungszeremonie beginnen und dann bis zum Morgengrauen andauern. Ich bezweifelte stark, ob die älteren Mexikaner dieser Nachtschicht gewachsen seien, aber ich sollte noch zum besseren belehrt werden. Ich setzte mich also Samstag mittag in den Bus in Richtung des Elternhauses von Dagia. Wie viele andere in ihrem Alter (Dagia ist immerhin 27 Jahre alt) wohnt sie noch bei ihren Eltern. In Mexiko ist es durchaus üblich, bis man eine eigene ausreichend bezahlte Anstellung gefunden hat, zu Hause zu wohnen. Auf dem Weg dahin rief sie mich jedoch an und bestellte mich zu einem nahe gelegenen Friseur. Dort warteten sie und ihre Freundinnen bereits mit Lockenwicklern in den Haaren und Plastikaufklebern auf den künstlich verlängerten Nägelchen, für die sie jeweils gut 50 Euro hinlegten. Angesichts der glühend heiss dampfenden Haarplätteisen konnte ich mich gerade noch vor einer überteuerten Verunstaltung meiner Haare drücken und wartete einfach geduldig, bis die Damen gewaschen, manikürt und gepudert waren. Anschliessend fuhren wir zu Dagia und stopften uns dort den Bauch voll. Dann führte sie mich in das Ankleidezimmer ihrer Schwester, die angeblich mehr meinen Massen entspräche als Dagia, um ein Kleid für mich zu suchen. Das mit den Massen stimmte nicht ganz. Das schliesslich ausgesuchte Kleid war immerhin so eng, dass der Reissverschluss nur mit Luftanhalten und gemeinsamen Ziehen und Zerren zu ging. Prompt wurde mir auch wieder schlecht im Auto. Das lag aber auch an der holprigen Fahrweise von Ricardo, einem Freund von Dagia, welcher uns beide zu der Trauung abgeholt hatte. Zudem sind auf Mexikos Strassen überall Stopper im Asphalt eingebaut. Doch anstatt tatsächlich langsamer zu fahren, geben die Mexis noch mal extra Gas, um so richtig flott drüberzuhüpfen. Autsch. Halbwegs pünktlich kamen wir dennoch an der Kirche in Coyoacan, dem bereits erwähnten zauberhaften Stadtteil Mexiko-Stadts, an. Die Kirche selbst war recht alt und hatte einen wunderbar idyllischen Vorhof mit grossen alten Bäumen und kleinen Pflastersteinwegen. Die Hochzeitsgesellschaft bewegte sich gerade ins Kircheninnere, wo sie sich nach Braut- und Bräutigamszugehörigkeit getrennt setzte. Ich folgte meinem Begleiter auf die Brautseite (Dagia hatte beim Friseur sitzend nebenher erwähnt, dass sie sich ja schon so darauf freue, dass Fernando, ihr bei mir nicht sonderlich beliebter Cousin, und ich zusammen auf die Hochzeit gehen würden. Mir klappte der Kiefer runter. Ich wusste ja nichts von meinem Glück. Immerhin konnte ich ihr dann vorsichtig klar machen, dass sie von ihrer Hoffnung diesbezüglich sich ein bisschen hatte davon tragen lassen. Ein bisschen sehr.). Die Trauungszeremonie war herzerwärmend und bewegend und unterschied sich sonst nicht sonderlich von allen anderen Trauungen auch. Es war eben eine katholische Hochzeit. Allerdings wird bei mexikanischen Hochzeiten scheinbar eine Musikzusammenstellung besonders gerne verwendet (immerhin wurden genau die selben Stück in der kleinen Kirche von Guanajuato gespielt). Der berühmte Hochzeitsmarsch als Einzug. Dann, nach dem Ja-Wort, das "Ave Maria". Und einige weitere, sehr bekannte Werke, die ich aber nicht benennen kann. Der Pfarrer hielt eine sehr warme und anrührende Rede über die Bedeutung der Liebe und den Gleichklang von Mann und Frau, wobei er es nicht unterliess, zu erwähnen, wie wichtig die gegenseitige Achtung und besonders der Respekt gegenüber der Frau ist, denn Gott habe sie aus dem gleichen Fleische gemacht. Eine alte Mexikanerin neben mir nickte dazu bedeutungsschwanger mit ihrem kleinen Hutzeldutt. Nach der Trauung und einem weniger ausgiebigen fotographischem In-Szene-Setzen vor der Kirche (es war bereits zehn und stockdunkel vor der Kirche, eindeutig ein grosser Nachteil der mexikanischen Tradition), fuhr die Hochzeitsgesellschaft zu dem Hotel, in dem das eigentliche Festgelage stattfinden sollte. Der Saal war ausnehmend elegant und schick gestaltet, wenn auch leider überhaupt nicht traditionell mexikanisch oder folkloristisch, wie ich gehofft hatte. Stattdessen sah alles mehr aus wie bei amerikanischen High-School-Abschlussfeiern. Wie immer tendiert die mexikanische High-Society dazu, US-amerikanische Moden zu kopieren, weil sie es sich leisten können. Ich war aber nur kurz ein bisschen enttäuscht. Dann sah ich das 5-Gänge-Menü und freute mich, so sehr, dass ich mein viel zu enges Kleid, und den Vorsatz, an diesem Abend nur Brotkrumen zu mümmeln, vergass. Doch bevor das Diner beginnen konnte, mussten sich sämtliche Mitglieder dieser riesigen Familie noch ausführlichst begrüssen. Zu meiner grossen innerlichen Empörung wurde auch ich einem Dutzend der Cousins und Cousinen an der Seite Fernandos vorgestellt. Den Rest des Abends vermied ich es recht erfolgreich, in seiner Nähe zu sein und mich über die spannende Tätigkeit eines Steueranwalts zu unterhalten. Das 5-Gänge-Menü war einfach grossartig. Wer danach aber noch nicht genug geschlemmt hatte, konnte sich im Foyer des Hotels an einer International Coffee Bar bedienen, an der es Kaffee, unterschiedliche Likörs und Hochprozentiges zum Mixen, Sahne, Erdbeer- und Kiwistückchen, Schokoladenstreusseln und zwei ganz reizende kleine Schokoladenspringbrunnen gab, einen mit weisser und einen mit Vollmilchschokolade. Ich möchte sowas in meiner Wohnung. Mexikanisch waren diese Delikatessen jedoch auch nicht. Das landestypischste an dieser Hochzeit waren wohl die immense Herzlichkeit der Familie untereinander (als auch gegnüber mit und anderen aussenstehenden Gästen) sowie deren tatsächlich bemerkenswerter Feierausdauer. Direkt nach der Eröffnung der Tanzfläche durch das Brautpaar stürmten jung und alt aufs Parkett und tanzten allein oder zu zweit über Stunden hinweg, unermüdlich bis in die frühen Morgenstunden. Nur zum Ausruhen oder um sich ein Schlückchen zu genehmigen, ging man kurz zu seinem Platz zurück. Ab morgens um fünf zogen die ersten ihre Schuhe aus und warfen sie kurzerhand an den Rand, um barfuss weiter zu tanzen. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir der liebe Papa der wunderhübschen Braut, der mit seinem schlohweissen Haar und seinem alles überstrahlendem stolzen Lächeln im Gesicht bis zuletzt auf dem Parkett herumtanzte und dabei jeden einzelnen der vielen Gäste begrüsste, ganz, als wäre es seine eigene Hochzeit. Morgens um sechs kamen endlich die sehnsüchtig erwarteten Mariachis, die berühmten mexikanischen Musikanten, welche auf keiner Familienfeier fehlen dürfen. Sie bauten sich auf der Tanzfläche auf und spielten über eine Stunde lang sämtliche vom Publikum gewünschten mexikanischen Volkslieder. Dabei fiedelten und sangen sie herzzerreissend vom Schmerz unerfüllter Liebe, Vaterland und Familie. Die Gäste sangen, gut angetrunken, wie sie waren, alle laut und begeistert mit. Nachdem die Mariachis ihr Programm beendet hatten, gab es noch einen weiteren Höhepunkt des Festes: Den Brautstrausswurf. Unter Johlen und Klatschen mussten sämtliche ledige Damen im Saal zuerst in einer Polonaise durch die Reihen ziehen um sich dann vor der Braut aufzubauen und mit erhobenen Armen den Brautstrausswurf zu erwarten. Und wer ausgerechnet unter all den Damen fing den Strauss? Nein, nein, nicht ich. Bloss nicht. Am Ende müsste ich noch einen Mexi heiraten. Das fehlt noch. Nein, Dagia fing den Strauss und grinste den Rest des Abends wie ein kleines Honigkuchenpferd. Seit einigen Monaten ist sie nämlich mit einem Deutschen liiert und wünscht sich nichts als zu ihm nach Deutschland zu können. Demnach war der Strauss ein gutes Omen. Nach einigen weiteren Tanzrunden machte sich doch schliesslich die allgemeine Erschöpfung bemerkbar. Draussen fing es auch schon an zu dämmern und so machte man sich langsam auf nach Hause. Dagia und Ricardo fuhren mich zurück zum DAAD-Büro. Ich war fix und fertig und meine Füsse erinnerten eher an Pfannkuchen als an menschliche Extremitäten. Den Sonntag verbrachte ich demnach auch im verkaterten Dämmerzustand. Nichtsdestrotrotz wünsche ich mir von herzen, dass auf meiner Hochzeit auch einmal ebenso ausgelassen und unermüdlich gefeiert und getanzt wird, bis die Sonne aufgeht, so wie bei dieser Hochzeit.

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