Die weitere Zeit in Guanajuato war richtig schön. Alle Pläne, noch nach San Miguel de Allende zu fahren, oder zu den Thermalquellen in der Naehe, verwarf ich und genoss einfach nur die Stadt. Freitag abend habe ich einem Konzert des Symphonieorchesters gelauscht. Es spielte Beethoven und Bruckner und der Saal war gut gefüllt mit Zuhoerern. Denen konnte man lustigerweise genauestens ansehen, ob sie Einheimische oder Touristen waren. Die Ansässigen sassen im besten Sonntagsstaat in ihren Reihen. Die Touris hatten die knittrige Bluse aus dem Rucksack gezerrt oder versuchten, ihre FlipFlops mit hübschen Tüchern oder Schmuck zu rechtfertigen. Das Konzert selbst war grossartig. Ich bin ehrlich gesagt noch nie aus eigenem Antrieb und vor allem alleine in ein klassisches Konzert gegangen. Umso mehr freute ich mich darüber, wie mitreissend das Orchester spielte. Vor allem von der Sinfonie Bruckners war ich völlig hingerissen. Bisher hatte ich von Bruckner nur so eine vages unschmeichelhaftes Bild von einem uninspirierten langweilig-verkniffenen Perfektionisten im Kopf, von dem ich auch nicht mehr weiss, wo es herkommt. Doch diese wundervolle Sinfonie stellte den vorherigen Beethoven noch ganz und gar in den Schatten. Sie sparte an keiner Stimmung, schwankte zwischen zart und verhalten und donnernd und dramatisch und liess dem Zuhörer nie genug Zeit, sich in einer Stimmung sicher zu fühlen und auszuruhen, sondern riss ihn immer weiter mit im Strudelmeehr der Töne. So begeistert war ich, dass ich danach trotz Halsweh und Müdigkeit mich noch den Estudiantinas anschloss und mit einem Quesadillo in der Hand (feurig scharf gefüllte Tortillas) singend durch die Gassen zog.
Den nächsten Tag ging ich nach dem Frühstuecken ein bisschen bummeln. Als ich an einer Kirche vorbeikam, sah ich zwei Bräute in sahnebaissermässigen Hochzeitskleidern vor dem Kirchenportal warten. Kurzerhand setzte ich mich in eine der hinteren Reihen in der Kirche und schaute mir die Doppeltrauung an. Das war schon recht romantisch. Leider stand neben dem Altar ein Riesengerüst und immer wieder liefen Touris, die ein bisschen schwer von Begriff waren, durch das Kirchenschiff und machten geräuschvoll Photos. Das wird bei mir mal anders laufen, ganz klar. Später verzog ich mich mit einem Buch und einem Pappkaffee auf den Berg mit dem Aussichtspunkt, um dort auf einer schattigen Bank den Ausblick zu geniessen und meinen Sonnenbrand vom Vortag zu pflegen. Zwischendrin hatte ich vorsorglich noch eine Theaterkarte für den Abend ergattert. Im Teatro Juarez, dem ältesten und schünsten Theater der Stadt, sollte Lope de la Vegas Stueck "Die Verrückten von Valencia" aufgefuehrt werden. Als ich mit einer Kugel Eis in der Hand zum Theater schlenderte, sah ich aber schon von weitem die breite, ganz von klatschenden und johlenden Leuten besetzte Theatertreppe. Anlass für den Spass war ein Clown am Fuss der Treppe, den ich persönlich ziemlich unlustig fand. Ich versuchte daher einfach nur irgendwo einen Platz in der Menge zu finden und in Ruhe mein Eis zu essen und die Leute zu beobachten. Es war aber gar nicht so einfach, einen Weg durch die Menge zu bahnen, und ich muss mich ganz schön dämliczh angestellt haben, denn plötzlich richteten sich alle Augen auf mich. Offensichtlich hatte mich der Clown zu seinem Opfer erkoren und kam die Treppe herauf auf mich zu. Die Leute fanden das urkomisch und riefen lachend, Beso, Beso. Ich hatte aber wiederum überhaupt keine Lust, den doofen Clown zu küssen, und sprang weiter nach oben, bis kein Durchkommen mehr war. Zu seiner Enttaeuschung musste sich der Clown aber mit einem Kuss auf die Wange zu Frieden geben. Als er das nächste Mal mürrisch in meine Richtung guckte, warf er mir ein riesiges Stück Stoff entgegen, mit den Worten, mein Röckchen würde ihn ablenken. Na gut. Mexikaner! Kurz darauf öffneten sich die Türen des Theaters und ich verzog mich aus dem Wirkungskreis des verrückten Clowns, der schon wieder irgendwelche vorbeilaufende Mädchen nervte, ins Innere des Theaters. Was für ein zauberhaftes Haus! Allein sich das Theater anzuschauen, lohnte schon den Besuch des Stückes. Die Bühne wurde von prächtigen schweren roten Samtvorhängen verborgen und der Zuschauersaal war mit ornamentreichen Wandmalereien verziert. Vom Stück verstand ich aufgrund des jahrhundertealten Textes nur ein Drittel, dafür war die Darbietung der Schauspieler umso lustiger. Die "Verrückten von Valencia" spielt nämlich in einem Irrenhaus, in welchem sich ein Edelmann verstecken muss, weil er verdächtigt wird, den Prinzen getötet zu haben. Um nicht aufzufallen, tarnt er sich selbst als Geistesgestörter. Dann wird jedoch eine hübsche junge Frau eingeliefert, die ebenfalls nicht verrückt ist, und sie verlieben sich ineinander, ohne voneinander zu ahnen, dass sie beide nur aus verschiedenen Gründen ein Versteck suchen, und gar nicht verrückt sind. Natürlich gibt es noch eine Menge anderer Personen, die alle auf die ein oder andere Weise in einander verliebt oder gestört sind und es gibt ein ziemliches Trara. Und alles endet wie bei Shakespeare in einem grossen, alles auflösendem Gefühlsspektakel.
Die letzte Nacht im unfreundlichen Stinkehostel verging dann auch noch und ich machte mich am nächsten Morgen wieder auf "nach Hause", in meine liebe kleine Wohnung auf dem Dach.
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