Zufälligerweise einen Tag vor dem Muttertag in Deutschland feiern die Mexikaner dieses Jahr ihren Día de la Madre, welcher gewohnterweise immer auf den 10.05. fällt. Wohingegen man in Deutschland den Muttertag gedanklich halbwegs erfolgreich verdrängen kann und nur allenthalben vom Emailanbieter an den mütterlichen Herzenstag erinnert wird, kann man der Muttertagsmanie in Mexiko nicht entfliehen. Bereits Wochen vorher hängen an allen Ecken riesige Plakate mit glücklichen jungen Frauen und allerliebst verpackten, treusüss zu ihnen aufschauenden Kinderchen. Kaufhäuser bieten allerorts Produkte speziell für Mütter zum Sonderpreis an. In der Metro hängen gar Angebote für besondere Mütter-Handytarife. Die Buchläden holen verstärkt die Mutter-Kind-Literar hervor. Und alles läuft und kauft Geschenke und Blumen und Pralinen und beredet heimlich und aufgeregt, wie man Mutti am allerbesten zu ihrem Ehrentag überraschen könnte, plant Ausflüge, reserviert Restauranttische, übt Liedchen. Es ist völlig abgedreht. Zufälligerweise konnte ich eine Muttertagsfeier selbst miterleben. Bei einer DAAD-Infoveranstaltung einige Tage zuvor hatte ich eine mexikanische Studentin angesprochen, die mir während des Abends als sehr nett aufgefallen war, und sie gefragt, ob wir nicht ein Deutsch-Spanisch-Intercambio machen wollten, und das machten wir dann auch. Einen Tag später lud sie, Dagja, mich zu der Muttertagsgrossveranstaltung im hiesigen Club Aleman ein, indem sich am Samstag die schicke mexikanische Upperclass zum gemeinsamen Schlemmen und Beschwipsen traf. Dagja holte mich mit ihrem Auto ab und wir fuhren gemeinsam einmal quer durch Mexiko-Stadt hin zu dem grünen und grossflächigen Clubgelände. Dort trafen wir ihre Familie und deren Freunde und Dagja stellte mich allen vor, immer mit den Worten, wie amüsant es doch wäre, dass ich hierherkam, Mexiko kennenzulernen, und zuerst einmal im Club alemán, dem Deutschen Club, feiern würde. Naja, immerhin kam keine Bedienung im Dirndl, gab es keine Brezeln und wurde auch keine Polka getanzt, auch wenn Dagja das sehr bedauerte. Überhaupt war ich in dem Club, in dem sich Deutschstämmige sowie deren Familien und Geschäftsfreunde treffen sollen, fast die einzige Deutsche. Dafür kamen an die 200 Mexikaner und der Festsaal war gefüllt mit üppig gedeckten und verzierten runden Tischen, um die galant die Garde von befrackten Kellnern tänzelte. Es wurde ein festliches 4-Gänge-Menü aufgetischt, schön untermalt von Live-Jazzmusik. Das Essen war weder typisch mexikanisch noch deutsch, aber echt lecker. Dagja erzählte mir derweil, dass sie geweint habe, als sie zum ersten Mal deutsches Rollfleisch gegessen hat. Nicht weil es so schlecht gekocht war, sondern eben so lecker.
Mir waren höchstens aufgrund der Schärfe des Essens die Tränen gekommen (und dabei werde ich schon recht emotional beim Essen), aber vielleicht haben die Mexikaner ja eine andere Beziehung zum Essen. Nach dem Dessert gruppierten sich sofort die ersten Pärchen auf der Tanzfläche und trotz meiner wiederholten Beschwichtigung, ich könne kein Salsa tanzen (denn natürlich entpuppten sich einmal mehr sämtliche Leute auf der Tanzfläche als geborene Tänzer), fand ich mich kurze Zeit später ebenfalls dort wieder. Die Leute tanzten, bis der Saal mehr einem tropischen Regenwald als einem klimatisierten Veranstaltungsort glich, und die Wodkaflaschen bis zum letzten Schluck in Orangensaft und GingerAle untergegangen waren (zur Tarnung vor den Kindern). Selbst die Jüngsten übten sich bereits fleissig in Drehungen und Hebefiguren, was süss war, weil in diesem Alter die Mädchen noch grösser sind als die Bubs und mit gestrenger und erfahrener Miene die kleinen überforderten Kerlchen Piruetten drehen liessen. Irgendwann verteilte ein Clown riesige bunte Luftballonstangen und Wuschelpompoms an Holzstäbchen und Jung und Alt fing an, die Dinger im Takt herumzuschleudern, während sich die Musik immer weiter beschwingte. Mittlerweile wurden die bekannten Texte lautstark mitgesungen und ploetzlich rief die Jazzsängerin begeistert, Heute ist Muuuuuuttertag". Woraufhin die tanzende Menge wie angestochen anfing, zu jubeln und zu brüllen und alle irgendwelche umstehenden Mütter umarmten, ganz gleich welche. Es war wirklich ein Fest. Ich fragte mich manchmal, ob die Väter nicht ein bisschen traurig seien, nicht einen ebensolchen Tag für sich zu haben, aber sie schienen alle genauso beglückt wie der Rest.
Nach der Muttertagsparty fuhren Dagja und ich mit ihren Freunden noch weiter in einen ziemlich chiquen Club, der auch Sushi-Restaurant war, um dort schon recht angetrunken noch weiter zu feiern. Dank eines Freundes standen wir alle auf der Gästeliste und ich erkannte einmal mehr den Vorteil von einheimischen Freunden - ohne sie wäre ich sicher nie in diesen szenigen Club gegangen, gleichermassen aufgrund von Preis- und Bekanntheitsfaktor. Immerhin kam ich noch früh genug nach Hause, um ein paar Stündchen zu schlafen, bevor ich mich am nächsten Morgen in den eigentlichen Club alemán aufzumachen: Die deutsche evangelische Gemeinde von Mexiko-Stadt, in der am Sonntag Pfingstgottesdienst war und gleichzeitig 50. Geburtstag des Bestehens der Gemeinde, zu dessen Anlass selbst der deutsche Botschafter eine Rede hielt. Bei den vielen neuen und kulturell ungewohnten Eindrücken ist es auch immer wieder schön, etwas vertrautes und altbekanntes zu finden. So wie in dieser Kirche die Lieder, die ich schon oft mitgesungen habe, die Predigtthemen und die verinnerlichten Liturgien. Zum anschliessenden Kirchencafé bin ich jedoch nicht mehr geblieben. Ich wäre mir ein bisschen eigenartig vorgekommen, allein in dieser eingeschorenen Gemeinde von Leuten, die seit Jahren gemeinsam ihre Zeit in der Fremde verbringen und darum noch viel enger zusammenwachsen als andere Gemeinden. Trotzdem, zu den folgenden Gottesdiensten werde ich bestimmt wieder hingehen, und wenn auch nur wegen der kleinen Insel emotionaler Vertrautheit in diesem sonst noch fremden Land.
martes, 13 de mayo de 2008
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